On Tour

Türkei: Mittelmeerküste Südosten

In den Jahren 2002 und 2004 sind wir zu Bekannten in die Türkei geflogen. Die haben da ein Apartmenthotel und vermieten im Wesentlichen an Türken im Sommer, im Frühjahr und Herbst ist da absolute Nebensaison. Da verirren sich dann auch mal ein paar Deutsche dort hin. Der nächst liegende Flughafen ist Adana. Danach kommt fast schon Syrien. Von dort an der Küste entlang westwärts Richtung Silifke. Einige Kilometer davor liegt der Ort Kizkalesi („Mädchenburg“), ein zumindest für europäische Touristen kaum erschlossenes Urlaubsparadies. Natürlich muss man Abstriche beim Komfort und den Dingen hinnehmen, die man gemeinhin als Zivilisation bezeichnet. Die Kinder haben bei unserem ersten Besuch gefragt, wo denn die Möbel in dem Apartment seien, war wirklich sehr sparsam möbliert. Ein Loch mit Gitter im Boden und ein Brauseauslass an der Decke war die Dusche, na und? Hauptsache sauber. Es war unser erster Kontakt mit dem Land. Wir haben nie gastfreundlichere Menschen kennen gelernt als dort. Und wir haben die gesamte Region erkundet, teilweise mit geliehenen Fahrzeugen der Marke Topas, ist ein Fiat Lizenzbau des 131er Mirafiori bzw. des 132er Fiat. Hat was! 1 mal sind wir auch mit einem örtlichen Führer in einem nagelneuen Transit unterwegs gewesen und haben eine Tour nach Kappadokien gemacht. Ich habe mir geschworen, da mal wieder hin zu fahren. Obwohl natürlich nicht so groß, gleichwohl in ähnlicher Weise beeindruckend wie die Grand-Canyon-Region in den USA mit den Nationalparks Zion und Bryce, Canyonlands, Monument Valley usw.

Es waren wirklich tolle Urlaube, nicht ohne Grund sind wir danach noch viele Male in die Türkei geflogen bzw. haben auf Kreuzfahrttouren dort Station gemacht, insbesondere auch um andere Städte und Regionen kennen zu lernen. Die weitaus meisten Touristen kennen ja eigentlich nur das Gebiet zwischen Antalya und Alanya mit Side, Belek und vielleicht noch Kemer. Auch das ist die Türkei, nur eben absolut nicht typisch für das Land und inzwischen ähnlich strukturiert wie andere Tourismus-Hochburgen am Mittelmeer, sowohl preislich als auch insbesondere mit der Vielzahl der Ladengeschäfte, in denen mehr oder weniger gut gemachte Fakes bekannter Mode-Label angeboten werden und dies teilweise noch in sehr offensiver Form, um es höflich auszudrücken.

Die hier beschriebene Region der südöstlichen Mittelmeerküste ist noch sehr wenig entdeckt, trotzdem mit einer derartig hohen Anzahl an Highlights bestückt, dass mich jedenfalls wundert, warum nicht noch mehr Touristen diese Gegend entdecken wollen. Zumal der Urlaub absolut preiswert ist, völlig unproblematisch auch mit kleinen Kindern zu bewerkstelligen ist und die Abenteuer- und Entdeckerlust vollumfänglich bedient. Dies gilt umso mehr, als man eben nicht nur von Millionen Touristen schon ausgelatschte Pfade betritt, sondern irgendwie das Gefühl bekommt, irgendwo auch einmal mit zu den ersten zu gehören.

Ist natürlich Quatsch, denn in der Region liegt nicht nur ein Teil der Wiege des Christentums, das wissen die wenigsten, sondern man atmet praktisch bei jedem Schritt Geschichte, sei es griechische Mythologie, erste christliche Felsenkirchen und Zufluchtsstätten, den Geburtsort des Apostel Paulus in Tarsus oder Spuren anderer längst vergangener Kulturen. Wie hat das mal jemand so schön formuliert, ich weiß wirklich nicht mehr wer: „Die haben da schon die Gestirne exakt bestimmen können, als die Germanen in Europa noch ihre Missionare gefressen haben.“

Fangen wir also an mit dem Ort Kizkalesi: Die Namenspatronin „Mädchenburg“ liegt als Seeburg vor der Küste auf einer kleinen Insel. Vom Strand aus kann man wunderbar dorthin schwimmen. Der Strand selbst ist sauber, mit Liegen und Sonnenschirmen versehen, das Wasser ist am Anfang sehr flach und dadurch für Kinder super geeignet, im Herbst noch immer 27 Grad warm. Teilweise sieht man Delphine, Schildkröten (in einer benachbarten Bucht), aber auch Stachelrochen mit ihrer unnachahmlichen Art zu schwimmen. Der Ort hat auch noch eine sog. Landburg, fast genauso spektakulär gelegen. Die Gegend im weiteren Sinne gehörte zu Zeiten der Römer zum „Rauhen Kilikien“, daher auch der Name der „Kilikischen Pforte“, die den Durchgang durch das wirklich nicht gerade niedrige Taurus-Gebirge auf die dahinter liegende Hochebene ermöglicht – und das schon seit Tausenden von Jahren. Ich hatte halt zu lange Latein in der Schule.

Apropos Sprachen: Man kann mit deutschen und passablen Englisch-Kenntnissen quasi überall „durch“ kommen, zur Not hilft auch Zeichensprache oder bei einem Glas Tee, für das man sich immer Zeit nehmen sollte, die Skizzierung des Anliegens auf einem Stück Papier. Das führt zu fast kindlichem Eifer, das Gezeichnete zu verstehen und großem Gelächter und Freude, wenn es dann geglückt ist. Die Türken gehen mit ihren Frauen im übrigen außerordentlich respektvoll um und oft sind die Frauen das heimliche Familienoberhaupt. Das wiederum führt dazu, dass im totalen Gegensatz zu vielen nordafrikanischen Ländern angemessen bekleidete deutsche Frauen und Kinder sehr höflich und aufmerksam behandelt werden. Kriminalität ist dort praktisch unbekannt, auch das sollte man wissen. Völlig anders, als zum Beispiel in den klassischen Urlaubsregionen der weiter westlich liegenden türkischen Mittelmeerküste, die sind da einfach versaut (worden).

Es macht unglaublich Spaß, den Türken nicht nur beim Feiern zuzusehen, sondern mittendrin und dabei zu sein. Selbst die Kids haben es bis heute nicht vergessen, dass irgendwann zwei Bauchtänzerinnen angefangen haben, mitten auf den Tischen zu tanzen, table dance mal ganz anders. Wer frischen Fisch wie wir sehr gerne isst, kommt absolut auf seine Kosten. Es gibt Buchten, in denen ein Fischrestaurant neben dem anderen liegt, eines besser als das andere. Jedes Essen wird zum Event. Einfache, aber außerordentlich geschmackvolle Küche. Die orientalischen Einflüsse sind unverkennbar.

Von Kizkalesi aus haben wir eine tolle Tour durch das Taurus-Gebirge nach Kappadokien gemacht. Aber man sollte wirklich keinem Irrtum unterliegen: Die Türkei verfügt teilweise auch in entlegeneren Winkeln über ein hervorragend ausgebautes Straßennetz. Fahrten in der Türkei stellen überhaupt kein Problem dar, ich bin schon weit über 10.000 km dort herum gefahren, absolut kein Problem!

Bitte auf die Auswahl von Bildern aus Kappadokien in der Galerie schauen! Dort sieht man u.a. einen Gang in einer der unterirdischen Städte dort, auf den anderen sind besondere Tuffsteinformationen erkennbar.

Wieder zurück in Kizkalesi: Traumhaftes Frühstück direkt am Meer, die Wellen schwappen einem bis fast an die Füße. Dann mit ein paar Leuten spontan eine Bustour ins nähere Hinterland gemacht, ihr glaubt gar nicht, über welches Organisations- und Improvisationstalent die Türken verfügen. Ich zolle denen den allergrößten Respekt. Aus nichts zaubern die schmackhafteste Sachen. Irgendwie klappt alles irgendwie. Und das auf völlig andere Weise wie in Spanien oder Mexiko, einen Hauch deutscher, einen Hauch professioneller, auch ein Stück vertrauter, nur eben nicht so verbissen. Gefällt mir ausgesprochen gut diese Art. Und dann sieht man unterwegs Felsmalereien oder Felsengräber, da verirrt sich kein Tourist hin. Die sind halt da, so wie bei uns nen Wegweiser für einen Höhenwanderweg. Die waren schon immer da, hört man da, schon 5.000 Jahre. Verrückt! Bei uns würden sie da 4spurige Autobahnen hinbauen und Parkplätze für Tausende von Besuchern. Dort stolpert man fast darüber und das an nahezu jeder Ecke.

Eine andere Tour ging über den Göksu – Preisfrage: Ja, das ist der Fluss, wo Kaiser Barbarossa auf seinem dritten Kreuzzug 1190 in seiner Rüstung ersoffen ist, gelebte Geschichte für die Kids! – nach Alahan, wo noch Reste einer der ältesten christlichen Kirchen der Welt zu sehen sind (war eine in Felsen gehauene Kirche) und an deren Stelle dann später eine Basilika erbaut wurde, die dann auch wieder verfallen ist. Auf dem Rückweg Halt in einer alten Karawanserei, in der ich Granatäpfel für die Mädchen gekauft habe und ihnen erzählt habe, dass man 1596 von den fruchtigen Kernen essen müsse, dann könne man zaubern. Das klappe aber nur, wenn man sich nicht verzähle. Erstens schmeckt das gut, zweitens sind die Dinger unglaublich vitaminreich und drittens waren sie dann auf der restlichen Rücktour beschäftigt, allemal besser als Kinderüberraschungseier! Dass sie dann hinterher doch nicht zaubern konnten, haben sie selbst darauf zurück geführt, dass sie sich dann wohl verzählt haben müssen.

Alte Handwerkskunst in Silifke. Sieht man nicht nur dort fast an jeder Straßenecke. Man kann den Leuten dabei zusehen, wie sie Gegenstände des Alltags oder auch Kunstgegenstände fertigen. Ob Metallbearbeitung in Form kleiner Türglocken, Keramikherstellung und -bemalung, Tischlern und Schnitzen, Steinbearbeitung, alles überwiegend im Freien. Selbst das Schlachten der Tiere, das Backen und Kochen, Teppiche und andere Textilien herstellen. Nie wieder haben die Kinder so viel basics zu sehen bekommen wie dort. Und die Erinnerungen daran sind sehr nachhaltig (positiv).

Eine unglaublich interessante Tour führte uns nach Anamur, etwa in der Mitte zwischen Alanya und Silifke. Nach dort verirrt sich auch kaum ein Tourist mehr, weil einfach von der Entfernung her zu weit vom nächsten klassischen Urlaubsort.

Der Ort oder die Stadt selbst ist eigentlich uninteressant. Von herausragendem interesse ist allerdings die Burg Anamur oder Mamure Kalesi, eine der am besten erhaltenen Befestigungsanlagen an der türkischen Mittelmeerküste. Die internationale Hilfsorganisation Cap Anamur wurde nach deren erstem Frachtschiff benannt, welches seinen Namen wiederum von der auf der Südspitze gelegenen Burg abgeleitet hat. Die Fahrt dorthin kann man – wie gesagt – sowohl von Alanya aus, als auch von der anderen Seite aus unternehmen. Sie ist allemal lohnenswert.

Vollkommen in die andere Richtung geht es über Erdemli nach Mersin, früher auch Icel genannt, eine Stadt mit annähernd einer 3/4 Million Einwohnern und durchaus sehr bemerkenswertem Stadtbild. Die Stadt ist nicht arm, sie ist das zentrum der türkischen Textilindustrie. Ich hatte dort auch beruflich schon zu tun. Knochenharte Geschäftsleute, aber total verbindlich im Umgang, cay bis zum Abwinken, immer wieder das Thema umkreisen, Millimeter um Millimeter dem gewünschten Ergebnis näher kommen, dann wieder von der Familie erzählen, um dann vollkommen unvermittelt, „mein Freund aus Alemania, Du willst mich doch nicht ruinieren?“ wieder auf den Punkt zu kommen. Man muss das mögen, um nicht die Nerven zu verlieren. Ich mag es, wenn ich Urlaub habe, aber im Business ist es grenzwertig.

Cennet ve Cehennem (Himmel und Hölle), die sogenannten korykischen Grotten, sind auch nicht weit entfernt von Kizkalesi, dem antiken Korykos, immerhin eine Stadt, die damals an Bedeutung dem heute weit berühmteren Ephesos nicht nachstand.Die „Hölle“ kann man wegen der senkrecht abfallenden Wände nicht betreten, im Gegensatz zum „Himmel“, den man nach über 400 Stufen erreicht. Irgendwelche Leute posten im Internet, dass es nur 290 Stufen seien. Wir haben sie gezählt! Am Fuße der Karsthöhle stehen die Reste einer Kapelle. Dann geht es in einen Eingang hinein, der in der Antike als Eingang zur Unterwelt Hades galt. Die korykischen Grotten waren nach der griechischen Mythologie Wohnsitz des Ungeheuers Typhon. Zeus soll das Ungetüm besiegt haben und ihn unter der Insel Sizilien begraben haben. Dessen Feueratem strömt nach der Sage noch heute aus dem Schlund des Ätna. Die Kinder haben gezittert, sind dann aber trotzdem mutig weiter gegangen. Zum Schluss noch ein paar Bilder aus der Region, von Erdemli, Unsuncaburc (früher: Diokaisareia), die sog. Reliefkrieger, irgendwo total versteckt in einem Seitental usw. Wer Interesse an näheren Infos hat, einfach posten, ich versuche zu antworten.

Habe noch einen ganz tollen Link zu den hier beschriebenen Reisezielen entdeckt, eine schöne Ergänzung. => Klick

Tags: On Tour

Mehr Beiträge

Ähnliche Beiträge