Nach der ersten Hardcore-Erfahrung in der Wüste stiegen für die folgende 2-Tages-Etappe dann einige Autos und auch einige Motorräder aus. Sie wollten erstmal wieder „Luft holen“. Es muss schon ziemlich anspruchsvoll gewesen sein. Umgekehrt ist dann das verrückte und allerbeste Team „Pandora“, bestehend aus Felice und Adrian, eingestiegen. Sie fuhren einen 4×4 Panda, der fahrwerksseitig und auch reifentechnisch ziemlich perfekt vorbereitet war. „Gestern hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Heute sind wir mit dabei.“, tönte Adrian vollmundig, der aber auch selbst Organisator von Offroad-Touren war und echt gut drauf war. „Privat“ fuhr er einen T4 Syncro mit kurzem Radstand und hatte damit bei mir und Resi sowieso schon gewonnen. Einladung zu den Bulli-Days wurde selbstverständlich ausgesprochen. Zusammen mit Felice waren sie unsere Tour-Buddies. Gemeinsam sind wir praktisch nie gefahren, aber haben abends oft zusammen gesessen, gegessen und getrunken und von unseren Erlebnissen berichtet.
Diese 2-Tages-Etappe war noch im letzten Jahr aufgeteilt in zwei 1-Tagesetappen. Da hätten wir definitiv einen Checkpoint ausgelassen. Denn dieser wäre bei meiner Planung völlig außerhalb der vorgesehenen Streckenführung gewesen. Seitens der Veranstalter waren eigentlich zwei hintereinander liegende Offroad-Wüstenetappen vorgesehen, das Zwischenziel irgendwo im Nirgendwo in Assa. Da musste man wirklich nur hin, wenn man beide Wüsten-Etappen fahren wollte. Ursprünglich hatten wir vor, zumindest eine der beiden Etappen zu fahren. Dafür waren unsere Benze ja auch ausgelegt. Nach der Erfahrung der vorigen Stage mit den Übernachtungen in der Wüste, das wäre ja noch romatisch gewesen, aber eben auch den zahlreichen Tiefsandpassagen – never. Diese hätten praktisch immer mit Sandblechen überbrückt werden müssen, mit Bergegurten und Kupplungsverschleiß, mit Luft ablassen und wieder aufpumpen, eine ewige Quälerei. Brauche ich das? Jedenfalls nicht mit den Benzen.
Also haben wir kurzfristig umdisponiert und eine von mir schon zuvor als Plan B ausgearbeitete Streckenführung gewählt. Von Smara über Tafraoute nach Tata, Übernachtung sollte entweder in Guelmin oder aber, wenn es gut gelaufen wäre, in Tafraoute sein. Denn diese kleine Stadt ist ein absolut sehenswertes Kleinod in den Bergen und inmitten überaus beeindruckender Gebirgszüge und grandiosen Panoramastrecken. Gesagt, getan. Genauso haben wir es gemacht. Gegen Tagesende des ersten Tages haben wir tatsächlich noch Tafraoute erreicht und dort ein Hotelzimmer genommen. Wir wollten ja sowieso noch die Stadt besichtigen und dann direkt weiterfahren. Auf dem Weg nach Tata hatten wir noch den Besuch einer der größten und bedeutendsten Speicherburgen (Arab.: Agadir) auf dem Plan, nämlich Tasguent.
Ich kann es vorweg nehmen. Insbesondere Tag 2 von Tafraoute über Tasguent nach Tata war wohl die Atem beraubendste Strecke, die ich jemals in meinem Leben gefahren bin bzw. mitgefahren bin. Niemand hatte uns das vorher gesagt. Wir sind komplett in einem Ausmaß überrascht worden, was ich weder in Worte kleiden, noch in Bildern auszudrücken vermag. Mir gehen schlichtweg die Superlative aus. Durch den ersten Tag der Etappe war mein Handgelenk jetzt komplett kaputt, derartige Schläge im Vorderrad rechts, dass ich wieder an das Traggelenk gedacht habe, nachdem wir ja schon das vordere linke Traggelenk ausgetauscht hatten. Für mich ohne erhebliche Schmerzen einfach nicht mehr fahrbar. Logisch, das Handgelenk hatte ja schon die Strecke nach Laayoune im Wortsinne „in den Knochen“. Natürlich die Radmuttern geprüft. Es fühlte sich ein wenig so an, als ob da drei Schrauben lose wären. Waren sie aber nicht. Beschissene Fahrweise. Egal. Bis Tata würden wir es irgendwie noch schaffen. Meine Co-Pilotin und Ehefrau musste ran. Das fiel ihr auch nicht so schwer, sie hatte ja schon ein wenig Übung und die SLK-Sitze auch Höhenverstellung, die im Gegensatz zu den Seriensitzen auch funktionierte.
Und dann kam etwas, was wir nie vergessen werden: Wir gerieten in eine ellenlange Sonderprüfung einer „echten“ Rallye, nämlich einer Marokko-Revival-Oldtimer-Rallye, wohl von einem Schweizer Veranstalter organisiert, mit diversen Porsche 356, einem AC Cobra, Jaguar E-Type V12 Cabriolet, Jaguar MK II, Alfa Romeo GTV und anderen Schätzchen. Irre. Wir hatten ja auch unsere Benze im Rallye-Trim foliert. Und da die auf öffentlichen Straßen fuhren trotz hochoffiziöser Zeitnahmen und diverser Crew-Fahrzeuge, mussten sie uns (nach lustigen Diskussionen mit Resi) einen Slot freigeben, innerhalb dessen wir mit den anderen Fahrzeugen die Sonderprüfung quasi mitfuhren (natürlich außerhalb der Wertung). Und die Sonderprüfung dauerte ca. 90 km(!). Meine Frau bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Sie fühlte sich wie Michelle Mouton und das zu Recht. Wir fuhren durch Dörfer, bei denen an den Rändern die Zuschauer standen und in Erwartung der Rallye-Fahrzeuge jubelten. Am lautesten war der Jubel, als wir vorbeifuhren. Die dachten natürlich, dass wir dazu gehörten. Einen Unterschied sah man ja auch nicht, mitten in den Autos teilweise weit jenseits der 100K wir mit unseren Benzen, die dort ohnehin absoluter Kult waren. Und dann noch eine Frau am Steuer, was in Marokko zwar nicht so selten ist wie in Saudi-Arabien, aber immer noch etwas Besonderes und dann noch in solch einer Rallye. Insbesondere die Kinder, Mädchen und Jungen, liefen auf die Straße, um abzuklatschen und das haben wir auch gemacht. Edit: Ich habe die Rallye gefunden! Hier kann man sehen, welche Autos da mitgefahren sind, coole Karren und auch tolle Locations. Ich muss mal recherchieren, was die für die Tour bezahlt haben, ich schätze nach den Aussagen unseres Tour-Guides Tom mal so etwa das 5- bis 6-fache wie wir.
Resi hatte dann noch das ultimative Erlebnis, als er sich den silbernen 356er Porsche in einer Kurvenpassage schnappte, nachdem er sich vorher mit dem 200 Diesel-Benz mit schlappen 60 PS über etliche Kilometer und bessere Linienführung schrittweise an ihn herangerobbt hatte. Ich habe das natürlich von hinten gesehen und Betty hat es auch gefilmt und gleich in unsere WhatsApp-Gruppe gestellt. Vielleicht kann ich da ein Standfoto extrahieren. Einfach nur geil. Ich habe ihn über Funk immer angefeuert „Krieg´ ihn!“ und er hat ihn gekriegt.
Mit Adrenalin am Höchstlevel sind wir dann in den frühen Abendstunden in Tata eingetrudelt. Tom hatte uns wieder eine Straße mit „Werkstätten“ – also einer Reihe nebeneinander liegenden Garagen, das kannten wir ja schon, über Google Maps geschickt. Da konnten wir uns eine aussuchen. Sie waren gleich zu mehreren an unserem Auto. Halber Menschenauflauf als Zuschauer, Iphones und Samsungs gezückt, jeder machte Selfies mit dem Benz. Ein wenig musste man auch aufpassen, dass da keine „Erinnerungsstücke“ aus dem Benz den Besitzer wechselten. Kameras, Werkzeug, Klamotten. Irgendwie ist dort alles begehrt. Auch und insbesondere meine mit Stickern aufgepeppten Jacken weckten während der Tour immer wieder Begehrlichkeiten. Ich habe dann nur auf die unterschiedlichen Körpergrößen verwiesen und dann war es auch klar, dass die Sachen bei mir deutlich besser aufgehoben waren.
Vorderrad runter, Traggelenk etc. alles in Ordnung, war ja auch neu vom Vorbesitzer. Und auch die Befestigungen waren diesmal fest, kein Spiel, nichts. Dann den Reifen angeschaut. Karkassenbruch und anschließende Beule. Hatte ich unterwegs nicht gesehen, weil er beim Schauen und Fühlen wahrscheinlich genau auf der Beule stand . Das war dann Reifen Nummer 3 von 4 aus der Serie meiner „Verkaufsverpackungen“. Schluss mit lustig. Ich hatte ja schon 2 neue Reifen hinten drauf ziehen lassen. Jetzt fehlten nur noch 2 neue Reifen vorne. Reifengröße 205/65/15 leider nicht verfügbar – in der ganzen Stadt. Die haben da anscheinend auch eine WhatsApp-Gruppe der ganzen Schrauberbuden, in die sie einfach eine gesuchte Reifengröße einstellen und dann die Antworten bekommen. Ein gebrauchter uralter Reifen war wohl noch verfügbar, aber ohne jegliches Profil. Sollte 30 Euro kosten. Habe ich natürlich nicht gemacht, weil ich ja noch 2 Reserveräder in der Größe hatte. Das waren auch ältere T4-Transporter-Reifen mit C-Kennzeichnung, die ich noch bei mir im Lager gefunden hatte. Die Reifendecken habe ich „über Kreuz“ auf die Gullideckel-Felgen montieren lassen und die beiden Vorderreifen dann auf die anderen (Reserve-)Alufelgen. Ja, den defekten Reifen mit Karkassenbruch habe ich auch aufgehoben. Man weiß ja nie, wofür man den nochmal gebrauchen kann, denn ich wollte wie nahezu alle anderen Teilnehmer auch immer über 2 Reserveräder verfügen. Eigentlich Blödsinn. Wenn man mit 2 nahezu identischen Benzen fährt und fast immer zusammen, braucht jeder nur 1 Reserverad, denn die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als 2 Reifen gleichzeitig kaputt gehen, ist dann doch vernachlässigbar. Würde ich heute so machen und damit ziemlich viel Platz und Gewicht sparen. Jedenfalls würde ich nur 1 Reserverad und maximal 1 Reifendecke „lose“ mitnehmen. Jemanden zum Auf- bzw. Umziehen findet man immer. Das haben wir gelernt. Probefahrt und der Benz lief wie eine 1.
Apropos Gewicht: Die Mitführung der EcoFlow mit 13 kg, der Induktionskochplatte und das gesamte Stromequipment waren komplett überflüssig. Wir haben es ganz selten „gebraucht“, die Kochplatte einmal zum Nudeln kochen. Und beim Freistehen wegen der Kühlbox. Wenn man aber eine 85 Ah-Batterie vorne im Motorraum installiert hat, kann man easy 2 Nächte zumindest eine Kompressor-Kühlbox über die Starterbatterie laufen lassen und man hat trotzdem keine Startschwierigkeiten. Alles andere als eine Kompressorbox macht sowieso keinen Sinn. Und 2 Nächte hintereinander hatten wir nie ohne externen Strom, wenn wir ihn denn gebraucht hätten. Haben wir aber nicht einmal. Da bin ich durchs Campen aber was ganz Anderes gewohnt gewesen. Kann man ernsthaft komplett drauf verzichten. Auch auf in Deutschland oder Italien eingekaufte Getränkevorräte. 1 Palette Bier und 2 Flaschen Rum, Gin oder anderes. Den Rest zum Mixen oder aber auch Wasser bekommt man an jeder Ecke. Das beschafft man neu, wenn es alle ist und bekommt es komplett vorgekühlt. Da kann man insgesamt schon mal > 50 kg sparen und das ist richtig viel! Weitere 20 kg spart man bei Ersatzteilen, Werkzeug usw. Warum muss man das teilweise doppelt mitführen? Blödsinn. Klamotten, die Hälfte reicht! Picknicktasche mit Tellern, Bestecken etc., wozu? Weniger ist mehr. Eigentlich muss man es so machen wie die Biker. Absolute Gewichtsminimierung ist die beste Leistungssteigerung oder richtiger: Es verbessert das Leistungsgewicht. Und es macht die aufwändige Höherlegung nicht gleich wieder kaputt.