On Tour

Europa Africa Rodeo 2023 – Der rote Benz

In meinem ersten Beitrag zu dem Thema Europa-Africa-Rodeo hatte ich von der Auswahl des Fahrzeugtypes berichtet. Es sollte letztlich ein Mercedes 200D oder die berühmte sog. Wanderdüne werden, angelehnt an sein Beschleunigungsvermögen. Jetzt mal im Ernst: Ich glaube, den gibt es sogar als Automatik. Was ist dann eigentlich die Steigerung von Wanderdüne?

Dann habe ich einen wunderschönen roten Benz in der Nähe von Dresden gefunden. Es war jetzt nicht so ein feuerwehrrot oder dunkelrot, sondern dieses superedle englisch-rot, was es damals gab. Genau meine Farbe. Zufällig war ich mit meiner Frau in der Nähe von Berlin. Ist ja in der Nähe. Quasi. 200 km.

Unterwegs habe ich dann den Händler angerufen. War ein Libanese. Es gibt ja kaum deutsche Fähnchenhändler. Mit denen mache ich sowieso total ungerne Geschäfte. Die hängen ihr Biodeutschtum immer so raus. Brauche ich nicht. Das ist nullkommanull meine Mentalität. Dazu war ich schon viel zu oft im Ausland. Also der hier war wirklich nett. Wir haben uns dann für den nächsten Morgen verabredet, weil es schon etwas spät war. Da stand er schon – quasi abholbereit. Ich gebe es zu. Es war mein erster 123 Benz. Ich war schockverliebt. Das sollte man nicht bei Autos, die einem noch nicht gehören. Ich habe es auch so gut es ging verborgen. Einmal rund herum gegangen. Scheiße, da war schon ne Menge Rost. Im Kofferraum zwei Kindskopf große Löcher. Ok, Bleche rein und fertig. Schweller? Wagenheberaufnahmen, Federdome, Hinterachsaufnahmen. Teppiche vorne hoch, knurps. Überall Gammel, teilweise richtig heavy. Manches sah aus wie Blätterteig.

Bremsen und Lenkung ok. Lenkung kaum Spiel oder besser gesagt: Nicht mehr als üblich in der Baureihe. Innenausstattung in gutem Zustand. Klar, das Armaturenbrett gerissen. Das ist bei allen so. Absolute Buchhalterausstattung, also nix. Klimaanlage Fehlanzeige, natürlich keine elektrischen Fensterheber. Polnische Zulassung, natürlich weder TÜV noch H-Kennzeichen. Huch! Ein Schiebedach und das sogar noch elektrisch! Es funktionierte einwandfrei und war dicht. Mega selten und als Sonderausstattung wirklich schweineteuer. Keine Barock-Felgen, aber Stahlfelgen mit den kultigen Mercedes-Radkappen und die auch noch vollständig. Die kosten allein schon 140 Euro.

Was macht der Motor? Batterie tot. Ersatzbatterie rein, Motor dreht, aber läuft nicht. Luftfilterkasten lag schon lose drauf. Der hatte das sicherlich schon öfter gemacht. Und ich wusste, was kommt. Bremsenreiniger rein und gestartet. Das war nicht nur russisch, das war die Steigerung aus dem arabischen Raum. Funktionierte aber. Und der Motor lief, einwandfrei. Da wird mir nichts kaputtgehen bei dem Motor. Reingesetzt und den Knopf für die Fußfeststellbremse gelöst. Kult. Einfach nur Kult. Ich kann mich noch daran erinnern, wie man früher die 280er Benziner aus der Baureihe mit unvorstellbaren 185 PS im Rallye-Trimm auf Handbremshebel umgerüstet hat, da die ansonsten die Karre vor keiner Kurve hätten sauber anstellen können. Wer weiß eigentlich heute noch, was das ist und wie das vor allen Dingen geht? Mit den heutigen Knöpfen in der Mittelkonsole funktioniert das auch nicht mehr.

Irgendwie merke ich, dass ich auch keine 30 oder 40 mehr bin. Also ich sitze im Auto, ein Lächeln schleicht sich über meine Lippen, meine Frau filmt mich. Bloß nicht sagen, dass ich das Auto haben will. 1. Gang rein, Kupplung langsam kommen lassen. Er stand ja schon Jahre herum. Schwierig. Doch zu wenig Gas gegeben. Mehr. Und er bewegt sich doch. Schrittgeschwindigkeit auf dem gekiesten Gelände. Fenster runter gekurbelt. Es hat geknirscht wie in der Auffahrt eines britischen Herrenhauses, so gefühlsmäßig. Irgendwie habe ich mich in Goodwood auf dem Festival Of Speed gesehen. Die Sommergartenparty im Süden von England für sog. Petrolheads. Mit 180.000 Besuchern. Das ist mal ne Hausnummer. Da muss ich unbedingt mal hin. Ach so, ich sitze im Auto und der Kies knirscht. Er lenkt, er bremst, das Schiebedach funktioniert. Es geht auch wieder zu. Ich lege mich nochmal unter das Auto. Noch mehr Rost. Was mache ich?

Er will 2.700 Euronen haben. Das ist nicht wenig, aber wirklich viel ist es auch nicht, wenn nicht der Rost wäre. Und der ist schon heavy. Zu viel? Ja, beim W123 gibt es haufenweise Reparaturbleche, ganze Einheiten. Und die auch noch zu einigermaßen vernünftigen Kursen. Aber ich bin jetzt nicht so der Schweißfachmann. Das sollte man aber sein, wenn man sich so eine Karre anschaut. Der Benz ist nicht ohne Grund der zweithäufigste aller zugelassenen Oldtimer in Deutschland – nach dem VW Käfer. Und das heißt etwas. Von diesem Modell sind auch die meisten Benze aller Baureihen ever gebaut worden. Niemals wieder hat Mercedes von einer Baureihe so viele Fahrzeuge gebaut, 2,7 Millionen Fahrzeuge. Und die Hälfte davon fährt jetzt in Marokko als Taxi herum, mit teilweise weit über 1 Million Kilometer. All das ging mir im Kopf herum. Mal sehen, was noch im Preis drin ist. Für 2,7 nehme ich ihn jedenfalls nicht. Das steht fest, da lasse ich mich auch nicht belatschern, egal von wem. Das ist eine alte Regel bei mir, die ich echt oft bei arabischen, türkischen und asiatischen Händlern angewandt habe. Die wissen dann oder merken ziemlich schnell, wo die Schmerzgrenze liegt. Und ich habe inzwischen auch gelernt, wo deren Schmerzgrenze liegt. Meistens. Hoffe ich zumindest.

Und wie bekomme ich die Karre vom Hof? Nein, Ihr glaubt mir sowieso nicht. Da stand ein Autotransportanhänger ebenso zum Verkauf. Etwas älteres Modell. Natürlich ein 2-Achser, TÜV noch ein paar Restmonate. Vorbesitzer ein Audi-Autohaus. Und der war zum Kippen. Da kann man auch mal mit einem tiefergelegten Karren drauffahren. So einen wollte ich immer schon mal haben. Da kann man viel spontaner reagieren und ist auch viel flexibler. Also eigentlich gilt ja immer: „Haben befreit von haben wollen.“ Also ich mache das ja nicht beruflich mit den Autos. Wollte ich nur mal gesagt haben. Aber so das eine oder andere Fahrzeug habe ich schon und auch mehrere Anhänger. Das bleibt nicht aus, wenn man ein wenig Platz hat. Ein Pferdeanhänger ist auch dabei, die Bulli-Bar, also ein Esselmann-Achteck-Hänger, keine Möhre, ein richtig gutes Teil usw. usw.

Ich also nach einigem Überlegen zu dem Verkäufer hin. Ich sagte ihm, ich hätte absolut keine Lust zum ewigen Hin- und Her-Feilschen. Ich würde ihm ein einziges Angebot machen, das könne er ablehnen oder annehmen. Ich habe eigentlich nicht gedacht, dass er es annimmt. Ich habe ihm glatt 4.000 geboten für beide, 2 für den Benz, 2 für den Transporter. Für den wollte er ursprünglich 2,3 haben. Das waren insgesamt 1.000 Euro oder 20% weniger, als er ursprünglich aufgerufen hatte. Bei dem Benz hatte ich vorher noch ein Preisschild gesehen, da stand ein Betrag von mehr als 4.000 Euro drauf, allein für den Benz. Hätte er natürlich nie für den Preis wegbekommen. Vielleicht blieb es ja rein zufällig im Auto liegen. Aber solche Zufälle gibt es nicht. Das dürfte wohl schon Absicht gewesen sein.

Und? Er ging nach draußen, überlegte und kam zurück und schlug ein. „Ja, 4.000 sind verdammt wenig, aber ich mache es!“ Kaufverträge unterschrieben und ne Anzahlung geleistet. Daraufhin hat er mir die Papiere für den Anhänger mitgegeben, damit ich ihn zulassen konnte. Gesagt, getan. 1 Woche später hieß es: Auf geht es nach Wilsdruff, den Benz holen. Wieder begleitete mich meine getreue Ehegattin. Speedymäßig hingefahren und dann? Den Benz wieder mit Bremsenreiniger gestartet und mit eigener Kraft auf den Anhänger gefahren. War es der Anhänger oder der Kies auf dem Hof, die geknirscht haben? Und jetzt die Kennzeichen. Scheiße, liegengelassen. Zuhause. Pappschild mit den Kennzeichen malen? Schließlich hatte ich die Zulassung ja dabei. Ein wenig kenne ich mich da ja aus. Aber, nein, das geht nicht. Ich war mir jetzt doch wieder unsicher geworden. Also die Rennleitung angerufen. Die haben mich gefragt, ob ich einen an der Waffel hätte. Ich bin dann mit meiner Frau essen gegangen. Abends nach der Rückkehr. Es wurde teuer. Aber verdient.

Ein paar Tage später habe ich ihn dann doch geholt. Habe mir einfach einen Tag frei genommen. Ich wollte ihn haben. Endlich. Bin gleich von Erfurt, wo ich einen Termin hatte, weiter in Richtung Dresden durchgefahren. Lag ja irgendwie auf dem Weg. Kennzeichen dran, ja, diesmal hatte ich sie dabei und ab die Lucy.

War schon ein komisches Fahrverhalten mit dem Anhänger. Ab 80 fing der an zu schlingern. Vielleicht sollte ich mal die Stoßdämpfer machen. Bin dann einfach langsamer gefahren. Rückweg dann über Leipzig nach Sondershausen zu einem befreundeten Autohändler, mit dem ich abgesprochen hatte, dass er die Schweißarbeiten macht. Angekommen und Hänger abgekoppelt. Wie stehen denn die Räder von dem? Total schräg. Was war da los? Der Werkstattmeister schaute sich den Hänger an und lachte. „Toll, was hast Du denn da wieder gekauft?“, fragte er. „Die Achse ist gebrochen, hier, siehst Du?“ Und ich habe es gesehen. Scheiße. Ja, den Hänger hatte ich mir nicht so genau angeschaut. Der sollte doch nur einfach fahren, hatte aber wohl schon vorher ein paar Risse. Der Benz allein mit seinen knapp 1.500 kg Lebendgewicht wird es nicht gewesen sein. Toll, jetzt kann ich mir noch ne neue Achse besorgen. Normal kosten die ja nicht so viel.

Aber Pustekuchen. Es war eine bewegliche Tandemachse. Die gab es als Neuteil nicht mehr, kein Herankommen. Also habe ich dem netten Libanesen per WhatsApp ein paar Bilder geschickt und ihn freundlich gebeten, den Anhänger zurückzunehmen. Wenn er wollte, könnte er mir auch den einen T4, den ich bei ihm auf dem Hof gesehen hatte, geben. Ich hätte für den nen 1.000er gegeben, dann noch nen 1.000er Restgeld. Wäre für mich ok gewesen, so ohne Diskussionen. Er sollte mir nur nen Video schicken, wie er den Motor startet und wie er dann läuft. Aber er wollte da schon bei Kauf des Benzes nicht dran. Das sei ihm zu wenig. Also lange Rede kurzer Sinn: Nach einiger Zeit (plus Anwalt) hat er mir das Geld zurücküberwiesen. Ich habe dazu auf alles andere verzichtet, hätte die Nummer ja hochtreiben können. Aber wer braucht das? Jetzt hoffte ich nur noch, dass wenigstens der rote Benz sein Geld Wert war. Aber erstmal mussten wir den zweiten Benz holen, den für den Plan B. Der war goldfarben. Ich unterscheide die Benze inzwischen nach der Farbe. Das und noch viel mehr konnt Ihr im nächsten Beitrag lesen.

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