In meinem letzten Beitrag hatte ich erzählt, warum wir erstmal alles gestoppt haben, abgesagt, „gehe zurück auf Los“. Der erste Benz, den wir geholt haben, der rote, der schon einen Namen hatte „El Comandante“, war wohl vom Kaufpreis her zu billig. Die Substanz war einfach nicht gut genug. Mehr und mehr kristallisiert sich heraus, dass es im Kern eigentlich nur auf die Karosserie ankommt. Alles andere ist zweitrangig. Ok, ist ja jetzt wirklich keine neue Erkenntnis. Das gleiche hatten wir auch schon beim T3 und T4. Warum lerne ich eigentlich nicht?
Nachdem ich also meinen roten Benz ins Übergangslager bei einem anderen Freund gebracht habe, abgeschlossenes überdachtes Gelände, wo ich dann im Bedarfsfall Ersatzteile holen konnte, muss jetzt unbedingt ein Benz her, der deutlich besser von der Substanz her ist und mit dem ich das Europa-Afrika-Rodeo 2024 sicher würde fahren können. Also definitiv keine größeren Schweißarbeiten und technisch einigermaßen auf Stand. Wieder gesucht und gesucht und einen gefunden! Er stach mir sofort ins Auge. Die Farbe!
Ok, man sagt ja immer, nur Frauen würden nach Farbe aussuchen. Nein! Ich habe früher nicht so darauf geachtet. Da waren mir andere Sachen wichtiger. Aber heute sind für mich falsche Farben Totschlagsargumente. Warum soll ich Geld für ein Auto ausgeben, bei dem die Farbe nicht passt? Da warte ich lieber, bis ich eins finde, bei dem eben auch die Farbe passt. Bei den 123er Benzen gibt es ja so Farben, die würde ich im Leben nicht nehmen. Oder nur, wenn ich sie quasi geschenkt bekäme. Da gibt es so ein Klodeckelgrün, eine typische Sanitärfarbe aus den 70ern und 80ern. Furchtbar. Wie kann man ein Auto so lackieren? Und wer hat sowas damals gekauft? Oder ein dunkles Bordeauxrot mit Blauanteilen. Schlimm. Orientrot heißt diese, glaube ich. Was hat denn das mit Orient zu tun?
Aber egal: Der Benz, den ich da gefunden hatte, hatte eine sehr seltene und wunderschöne Farbe, sie nennt sich wohl apricot-orange. Neben dem englisch-rot von El Comandante wohl die schönste Farbe, in der die 123er je ausgeliefert wurden, mal abgesehen von schwarz oder weiß, die ja keine Farben sind. Und er war frisch geduscht, also mit Farbe. Er stammte aus Bosnien-Herzegowina und war für einige Euronen ausgepreist. Das war über meiner Grenze. Aber er hatte frisch H-Gutachten und TÜV und war kosmetisch auf Vordermann gebracht worden, neue Teppiche im Innenraum. Sämtliche Lager, Querlenker, Bremsen, Filter und Flüssigkeiten sind frisch ersetzt worden für den TÜV. Die Karosserie sei in wirklich gutem Zustand. Es seien keinerlei Schweißarbeiten erforderlich. Neue Weißwandreifen hätte er auch. Die seien zwar aus China, aber sähen gut aus. Also Bosnien-Herzegowina ist jetzt auch nicht europaweit berühmt für die Qualität der Restaurationen. Aber was will ich denn erwarten? Er war zwar dreimal so teuer wie der rote oder der goldene Benz, aber auf dem Papier signifikant besser. Wenn der also so war wie beschrieben, wäre er genau das, was ich gesucht habe. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen. Und habe dann gleich für das kommende Wochenende den Besuch organisiert. Da muss man schnell sein.
Mein Freund Resi wollte unbedingt mit, den Benz holen. Ich habe ihm gesagt, es sei südlich von Nürnberg. War es ja auch. Ich habe ihm nur nicht gesagt, wie weit südlich. Und schon waren es wieder 400 km eine Strecke. Aber diesmal ohne Anhänger. Er konnte ja auf eigener Achse fahren, angeblich. Also rote Nummer besorgt und ab die Lucy. Ging ziemlich schnell ohne Anhänger, zumindest die Hintour. Ich hatte ja im Vorfeld – so wie immer – mir durch Preisverhandlungen die Motivation für die Tour geholt. Wir hatten uns vorbehaltlich der Besichtigung auf einen glatten Betrag geeinigt. Das war eine Größenordnung, die hat mir gepasst. Jetzt musste nur noch das Auto passen.
Wieder waren wir gespannt. Nach den 1 ½ Reinfällen musste es jetzt mal richtig krachen, also positiv. Möttingen ist ein kleiner Ort im bayrischen Schwabenland, sagt man das so? Also 3 Häuser, 4 Spitzbuben. Wir fuhren auf den Hof eines gepflegten Areals. Da stand auch schon der Benz, er leuchtete uns entgegen und machte einen guten Eindruck. Resi kniete gleich nieder, bewaffnet mit seinem Schraubenzieher und inspizierte den Unterboden. Alles chic, keine Durchrostung. Selbstverständlich alles frisch gemacht, teilweise geschweißt und übergestrichen. Aber es sah sauber aus.
Die Lackierung war ein wenig zitruslastig, also ich meine mit Orangenhaut, aber das war so wenig, das könnte man wohl noch wegpolieren. Ja, man sah, dass teilweise Dichtungen nicht ausgebaut waren und auch im Motorraum waren Kabel überlackiert. Garagenlackierung, aber im Grunde nicht so schlecht. Innenraum tatsächlich mit neuen Teppichen. Die Verkleidungen waren teilweise schluderig befestigt, der Fahrerspiegel war schief und zitterte. Rückbank war lose, nicht richtig eingehakt. Unten drunter noch der Dreck von der Restauration. Die hintere linke Tür schloss nicht richtig. Man musste sie ganz schön zuknallen. Fensterkurbeln hinten fehlten. Kleinkram. Zentralverriegelung ohne Funktion.
Was war noch? Er sprang auf Anhieb an, erste Schlüsselumdrehung. Ich denke, dass der Verkäufer ihn morgens schon zweimal um den Block gejagt hatte. Öldruck passte perfekt. Anzeige wie bei meinem 911er. Der war sogar etwas jünger. G-Modell aus 1984, Targa mit Turboverbreiterung, aber ohne Heckflügel, also dieses Kuchenblech. 250 PS mit Cup-Endrohr und leicht getuned von einem Bekannten von mir, der den ersten 3,8 Liter Sauger für den 911 rausgebracht hat, noch vor dem Werk. Der war einfach begnadet. Der hatte Zugang in Weissach zu den heiligsten Hallen. Weil sie ihn respektiert haben. Ich habe noch nen Video von seinem erfolgreichen Rekordversuch auf dem Nürburgring, mit Serienreifen von Dunlop in 7:42 Min. Das muss man erstmal nachmachen. Habe ich noch nie, nicht einmal ansatzweise geschafft. Egal mit welchem Auto.
Also Probefahrt: Motor starten, losfahren. Lenkungsspiel kacke. Braucht kein Mensch, immer wieder das gleiche bei den Karren. Dann auf die Landstraße. Bremsen top, Kupplung, Schaltung, alles. Aber Lenkung: Was war denn das? Er schwamm wie sonstwas auf der Straße. Und es war furztrocken. Man musste quasi schon den Lenkeinschlag korrigieren, bevor er zu schwimmen begann. Das geht mal gar nicht. Lenkgetriebe defekt? Ne, das fühlt sich anders an. Lag es an den China-Reifen? Die hatte ich auch schon auf nem anderen Fahrzeug und diese nach 50 km verzögerungsfrei in den Müll gegeben. Waren damals halt bei irgendeinem Fahrzeugkauf dabei. Aber das war das Einzige, was wirklich störte. Das würde man noch in den Griff bekommen. Irgendwie. Schließlich hatte ich ja noch ungewollt den roten Benz als Teileträger.
Zurück zum Verkäufer auf den Hof. Mit ihm über den Motor gesprochen. Der war auf keinen Fall der originale, aber lief gut. Haben wir so im Kaufvertrag vermerkt. Also nix mit matching numbers, Motor passend zur Fahrgestellnummer. Ist in der Preisklasse auch nicht wirklich wichtig. Gasgestänge hakte, er tourte nicht richtig ab. Ja und dann die Lenkung. Da hat er dann auch gleich im Wortsinn eingelenkt und zugestanden, dass ihm das wohl auch schon aufgefallen sei. Es läge aber an den Reifen. Vorher sei das nicht gewesen. Glaube ich ihm sogar – ein bisschen. Nochmal 300 Euro runter ggf. für ein neues gebrauchtes Lenkgetriebe oder vernünftige Reifen. War für ihn ok. Für mich auch. Ich muss da nicht jede 100 Euro rausquetschen. Ich will halt nur nicht verarscht werden. Und da hatte ich nicht den Eindruck. War echt fair.
Gesagt, getan. Kaufvertrag abgeschlossen und Kaufpreis gezahlt. So langsam gehen mir dann auch die Barreserven aus. Rückfahrt mit dem A8 und dem Benz. Wir haben uns zunächst abgewechselt. Resi rammelte dann auch gleich in ne Radarfalle, mit dem Benz! Bei 30! Ich habe mich weggeschmissen vor Lachen. Er nicht. Ich sei zu dicht aufgefahren, sagte er. Stimmte überhaupt nicht. Er hat nur ne Ausrede gebraucht. Er war 8 km/h zu schnell, 8!
Dann wechselten wir wieder und Resi sagte, das Fahrverhalten sei lebensgefährlich. Ja, mag sein. Ich kam aber ganz gut damit zurecht. Auch mein 911er fuhr jetzt auf der Bahn nicht so wirklich geradeaus. Er rannte jeder Spurrille nach und im Regen musste ich dann eben anhalten. Da kam er mir nicht nur einmal quer. Das war lebensgefährlich, wenn man gerade mit 130 km/h, nur 130, auf der Bahn unterwegs ist. Landstraße trocken war sein Revier. Offen. Gänsehaut pur im Erzgebirge oder Schwarzwald. Nur aufpassen wegen der Mopeds. Ich wollte keinen Kopf auf dem Beifahrersitz liegen haben mit Helm drauf. Die unterschätzen einfach die Kurven und kommen bei Linkskurven voll in den Gegenverkehr. Da muss man dann als Autofahrer mit rechnen, jedenfalls ich mache das. Jederzeit. Habe ja selbst nen Moped-Führerschein. Noch den alten Klasse 1.
Regen. Es war Regen angesagt. Nein, es war Wolkenbruch. Im Sommer 2023 gab es nur Regen. Jetzt auch schon wieder. Und wir sollen den heißesten Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gehabt haben. Ich frage mich wo? Der Benz war dicht. Und er schwamm, von links nach rechts und zurück. Das war nicht witzig. Noch weiter runter mit der Geschwindigkeit. Die ersten hielten unter der Brücke an oder fuhren auf angrenzende Parkplätze. Scheibenwischer ging auch, in der höchsten Stufe. Einwandfrei. Aber der Fahrerspiegel zitterte und ich sah nach hinten … nichts. Auch im Beifahrerspiegel nicht. Hatte ich nach dem Fahrerwechsel vergessen, neu einzustellen. Juhuu, geht zwar von innen, aber nicht elektrisch. Also nur, wenn man auf dem Beifahrersitz sitzt. Saß ich aber nicht.
Resi sagte, auch der A8 sei geschwommen. Klar, Allrad und neue Sommerräder. Nein, glaube ich nicht. Vielleicht stimmte es aber auch. Die Reifen waren schließlich doppelt so breit. Irgendwann war der Regen vorbei. Wie ein Vorhang, der sich plötzlich zur Seite bewegte, war die Sonne da und es dampfte von der verdunstenden Nässe. Kurz den nächsten Parkplatz angelaufen und gefragt, ob wieder Fahrzeugwechsel anstehe. Ablehnung, keinen Bock. Also bin ich weiter gefahren. An Schlangenlinien kann man sich auch gewöhnen. Man muss nur eher lenken. Dann fährt man wieder geradeaus.
Schön zuhause angekommen, haben wir uns dann gleich getrennt. Karre abgestellt, in alte Klamotten geschlüpft und geholfen, den Pool sauber zu machen. Das hatte ich doch versprochen und vergessen. Resi gleich weiter zu sich nach Hause. Er hatte auch irgendwas versprochen, glaube ich.
Ich hatte alle Papiere, Kennzeichen auch bereits reserviert für den roten. Das konnte ich ja jetzt für den orangen Benz nehmen. -CO 123 H, geil. Versicherungsbestätigung hatte ich auch besorgt. Also gleich zu einem befreundeten Zulassungsservice. „Könnt Ihr mir mal die Karre zulassen?“ Perfekt. Nein. Geht nicht. Zulassungsstelle: „Das Auto kommt aus dem außereuropäischen Ausland. Wir brauchen den Kaufvertrag.“ Wieso? Ich habe das Auto in Deutschland gekauft von einem Deutschen. Egal, Kaufvertrag, sonst lassen wir die Karre nicht zu. Aha. Ich habe das natürlich gecheckt. Stimmt. Die wollen den Kaufvertrag oder eine Rechnung als Eigentumsnachweis. Aha. Seit wann ist das ein Eigentumsnachweis? Bullshit. Und dann muss der noch nicht einmal mit der letzten Haltereintragung in den ausländischen Papieren übereinstimmen. Deutsche Behörden. Was soll ich mich streiten? Nachgereicht und dann?
Ja, so blöd kann man sein. Ich muss das auch mal sagen dürfen. Die tragen mir als Erstzulassung für den 123er Benz den 1.1.1975 ein, er war Erstzulassung 1980. Haben die das Gutachten falsch interpretiert. Das muss ich irgendwann noch korrigieren lassen. Aber das Geilste kommt noch. Der Schilderdienst macht anstatt eines H-kennzeichen ein E-Kennzeichen. Klar ein 1975er Benz mit E-Kennzeichen. Ich habe ein Beweisbild. Bin dann natürlich – ohne es zu bemerken – damit eine Weile herumgefahren. Auf Nachfrage hätte ich geantwortet: „Wieso? Ist doch ne E-Klasse?“ Aber alles gut. Der Fehler wurde alsbald korrigiert und ich hatte meinen Benz! Endlich!
Wie ging es weiter? Das und noch viel mehr könnt Ihr im nächsten Beitrag lesen. Bis demnächst in diesem Theater … ciao.