Nachdem wir also die beiden Benze geholt hatten, in voller Euphorie und Vorfreude auf die Tour, passierte erstmal … gar nichts. Wir hatten ja noch soooo viel Zeit. 8 Monate ist eine Welt. Da schafft man alles, selbst ein Kind bekommt man – wenn auch knapp – in die Reihe von der Zeugung bis zur Geburt. Wir haben also die Benze erstmal bei meinem Kumpel aufs Gelände gestellt. Noch mitten in der Euphorie, also die Endorphine schwappten quasi Oberkante Unterlippe, haben wir den roten Benz, also meinen, zerrupft, komplett gestripped, nackig gemacht. Wir wollten erstmal schauen, was sich da alles für Katastrophen noch verbergen. Ging so. Die Innenausstattung war – wie gesagt – noch in einem durchaus passablen Zustand. Einmal die Grundreinigung mit meinem Tornador Spezialreinigungsgerät für Polster und dann müsste das Thema gegessen sein.
Spezialtipp am Rande: Ihr müsste abwarten, bis die Frau mal zur Schwiegermutter fährt und Ihr sturmfreie Bude habt. Dann nämlich könntet Ihr die Sitze zum Trocknen in die Sauna stellen, wenn Ihr eine habt. Das klappt begnadet. Oder Ihr sucht Euch jemanden, der ne Sauna hat und dessen Schwiegermutter dann weg ist. Nein, anders. Aber so ähnlich. Ihr versteht mich schon. Wisst Ihr eigentlich, wie ich auf die Idee gekommen bin?
Zu einem runden Geburtstag habe ich mal eine Rallye geschenkt bekommen von einem Freund von mir. Arabella Classics, eine richtige Edel-Rallye. Da zitiere ich mal aus meinem Reisebericht im Bulli-Board:
„Auch die zweite Etappe nach Fuschl war eine reinrassige Regenetappe. In Altötting hat uns ja der Bischof noch gesegnet und jedem einzelnen Teilnehmer der Rallye persönlich alles Gute bei der Weiterfahrt gewünscht und die Hand gegeben. Irgendwie hat der himmlische Beistand die gegenteilige Wirkung gehabt, aber ich möchte jetzt nicht über das gestörte Funknetz vom lieben Gott zu seinen irdischen Vertretern philosophieren und irgendwie könnte man mir dann auch blasphemische Züge unterstellen, aber der Anstand gebietet – sagen wir mal – beredtes Schweigen. Am nächsten Morgen wurde dann die dritte Etappe gestartet, es ging zu dem Schwesterhotel Schloss Pichlarn, auch ein solches absolutes Luxushotel aus der Arabella-Gruppe. Dort jedenfalls wurde Rallye-Geschichte geschrieben. Ein Journalist aus Hamburg, der mit seinem Beifahrer einen super seltenen Schlüter BMW aus den 30ern bewegte, auch offen natürlich, war wie wir auch so durchgefroren, dass er die Sitzflächen aus dem BMW ausbaute und nebst Beifahrer und mit voller Montur und den Sitzkissen in die Hotelsauna ging und sich dort mit 2 splitterfasernackten weiblichen Hotelgästen in den „späten 50ern“ angeregt unterhielt. Der hatte mit gar nichts zu tun. Das hätte ich mir ja nicht mal getraut. So entstehen Legenden. Ich weiß ja nicht, wie die Story in ein paar Jahren erzählt wird …“
Ja, die vollständige Geschichte muss ich ein anderes Mal erzählen. Alles die Wahrheit, nix da mit „Geschichten aus dem Paulaner Garten“. Ich habe traumhaftes Bild- und Beweismaterial zu der Tour.
Also alle demontierten Teile von dem Benz brav in meinen Crafter geladen und ab ins Lager, also ins neue Lager. Betty Rabatty, die Freundin von Resi, hat toll mitgeholfen. Da wo wir nicht hinkamen, ist sie reingekrabbelt. Nur sie konnte auch beschädigungsfrei die Zierleisten lösen. Klasse. Irgendwie merkte ich dann auch, dass ich kaum mehr Luft bekam. Kleinste Anstrengungen haben mich voll getilt. In nullkommanix war ich voll durchgeschwitzt. Wusste auch nicht, was das war.
Am Rauchen kann es nicht liegen. Ich habe vor über 3 Jahren aufgehört damit, nachdem mich irgendwo in Peru am Machu Picchu eine über 70-Jährige am Berg lächelnd überholte, während ich rote Sterne vor den Augen hatte. Da wirst Du echt nachdenklich. Schließlich wollte ich schon noch ein paar Touren machen. Zielstellung war schon immer: Pro Lebensjahr ein Land in der Welt besucht zu haben. Da wird es dann in Nepal und Tibet richtig eng. Die Länder liegen ja noch deutlich höher. Und mein Traumziel Guatemala mit Wanderung auf einen der Vulkane dort kann ich mir auch abschmatzen.
Also lange Rede, kurzer Sinn: Mir ging es gesundheitlich überhaupt nicht gut. Man verdrängt das ja, bis es nicht mehr geht. Ist auch ne Frage des Alters. Wenn man nicht mehr über Frauen und Autos, sondern nur noch über gesundheitliche Beschwerden redet, ist man alt. Und das will man ja nicht, also drückt man das weg.
So war es bei mir. Wenn Du dreimal am Tag hörst, „Sie sehen aber nicht gut aus, geht es Ihnen schlecht?“, dann muss ja irgendwas dran sein. Und wenn sich die Frau noch mit befreundeten Ärztinnen und Physio-Therapeutinnen verbündet, dann hast Du keine Chance mehr. Die machen Dir Termine bei Chefärzten und in Spezialabteilungen aus, als gäbe es kein Morgen. Und da musst du dann auch hin. Und dann wirst Du untersucht und durchleuchtet, alles einmal durch. Dann bekommst Du vorläufige Diagnosen, da wird dir schlecht. Wenn ich das in meinem Job so machen würde, hätte ich bald keinen mehr.
Sie haben dann nach etlichen Wochen festgestellt, dass Herz und Lunge entgegen früherer Annahmen doch einwandfrei in Ordnung waren. Das Jahrzehnte lange Rauchen hatte sehr viel weniger Spuren hinterlassen, als von mir befürchtet. Aber das Blut war nicht in Ordnung, krass zu wenig rote Blutkörperchen, extremer Eisenmangel usw. Und andere Werte waren auch zu niedrig. Also Blutkrebs. So sagten sie. Das sei die einzige Erklärung. Habe ich erstmal für mich behalten. Über Wochen. Tolle Diagnose. Irgendwie war ich aber noch nicht so weit, den Löffel abzugeben. Jedenfalls nicht freiwillig.
Was mache ich jetzt mit der geplanten Tour nach Marokko? Und die Autos gingen auch nicht voran. Ich hatte Wichtigeres zu tun, als mich mit der Fertigstellung der Karren zu beschäftigen. Und wenn man keinen Druck macht, passiert auch nichts. Dornröschenschlaf war angesagt. Genau diese Szenarien, die ich schon von anderen Leuten und von anderen eigenen Projekten kannte: Mit viel Elan und Euphorie gestartet und dann im Sande verlaufen. Was hatte ich schon für schöne Projekte, die ich dann aus den verschiedensten Gründen aufgeben musste.
Den Dehler zum Beispiel. Dabei handelt es sich um eines der wohl ehrgeizigsten Projekte ever. Kennt Ihr Dehler? Eine Yachtbaufirma, die sich schon in den 80er Jahren um den qualitativ hochwertigsten Umbau von VW Bussen auf T3-Basis gekümmert hat. Die Autos waren damals teurer als ne S-Klasse! Späterhin wurde dann der Dehler auf Basis des T4 gebaut. Müsst Ihr mal googeln. Die Spitze der Nahrungskette war der Dehler Optima 5.4. Langer Radstand plus Heckverlängerung aus GFK, deutlich über 100.000 DM, irre. Und den habe ich als Umbau gekauft, also als abgebrochenes Projekt von jemandem, der – ja- Krebs hatte und es nicht zu Ende führen konnte. Ich habe den Dehler Jahre in ner Halle stehen gehabt, ihn technisch komplett auf Stand gebracht und dann an einen Liebhaber aus Sachsen verkauft, der ihn begnadet neu aufgebaut hat. Muss man ihm lassen. Hätte ich so nicht hinbekommen.
Und was war mit mir? Blutkrebs Fehldiagnose. Ich war nicht mal erleichtert. Ich hatte sowieso nicht dran geglaubt. Aber bis zum geplanten Europa-Afrika-Rodeo wäre ich nicht wieder so fit geworden, dass ich die Tour hätte machen können. Außerdem habe ich ein Veto erhalten. Von meiner Frau. Muss man auch mal drauf hören, ich bin ja nicht beratungsresistent. Infusionen ohne Ende, der Körper muss ja den massiven Blutverlust über Monate wieder aufholen. Transfusionen habe ich abgelehnt, solange sie nicht zwingend erforderlich gewesen wären. Ich habe da kein Vertrauen. Schließlich haben sich tausende Leute mit Aids infiziert durch Transfusionen. Was weiß denn ich, was da als nächstes drin ist?
Also habe ich nach Rücksprache mit meinem vorgesehenen Tourpartner Resi das Rodeo abgesagt. Schwersten Herzens, aber irgendwo muss ja dann auch mal die Vernunft siegen!
Habe ich Euch eigentlich erzählt, dass wir schon Namen für unsere Benze hatten? Für den goldenen war der Name innerhalb von 3 Sekunden klar: El Presidente. Bei der Pornokarre. Der bekommt noch ne Standarte von mir verpasst. Außerdem wird Resi bei einem VW-Bus-Treffen, was er seit Jahren zusammen mit seinem Bratwurstminister Maik in Thüringen organisiert, immer Präsident genannt. Einen Tag später kam dann auch der Name für meinen Benz. Passend dazu El Comandante. Auch das hat eine Geschichte, ein anderes Mal, sonst werde ich hier ja nie fertig.
Nachdem wir also abgesagt hatten und uns dadurch auch wieder Zeit gekauft haben bis zum nächsten Europa-Afrika-Rodeo in 2024, haben wir uns nochmals um unsere Benze gekümmert. Mir ging es inzwischen signifikant besser. Ich bekam wieder Luft und war voller Energie. Also vor Ort den roten Benz nochmals mit meinem Schweißer im Detail angeschaut. Er hatte so alibimäßig schon 4 oder 5 Karosseriebleche besorgt, alles fertige Formteile für den Unterboden, also quasi den gesamten Unterboden neu. Aber die mussten ja auch irgendwo angeschweißt werden. Wo war denn da noch Fleisch im Schwellerbereich? So nennt man das wohl. Innenschweller weggefault.
Letztlich sagte mir mein Bekannter, dass er sich zeitlich und fachlich überschätzt habe. Das könne er einfach nicht schaffen. Er habe so viel zu tun, dass er den Benz einfach nicht dazwischen schieben könne. Da seien noch 2 Motorschäden, die er machen müsse und außerdem warten noch eine Reihe weiterer Reparaturen. Der Hof stehe voll. Konnte ich ja auch sehen. Ich mag ihn. Und er wollte mir den Gefallen tun. Sollte er ja nicht umsonst machen. Aber manchmal macht man eben Zusagen, die man nicht einhalten kann. Scheiße. Nen besseres Wort fällt mir nicht ein. Damit war natürlich auch der zweite Benz Geschichte, also der goldene, unser Plan B.
Wir haben dann beschlossen, die Benze dort abzuholen und jeweils bei uns zuhause zu versuchen sie fertigzumachen. Ich habe meinen Benz dann von einer anderen befreundeten Werkstatt holen lassen und bekam dann vor denen ziemlich schnell die Mitteilung, dass ich mir abschminken könnte, den für kleines Geld einmal wieder hübsch machen zu können. Da seien derart substanzielle Schweißarbeiten nötig, das erfordere ernsthaft Stunden. Ob das sich lohne, sei wirklich fraglich. Schließlich sei das kein Mercedes Flügeltürer. Wir haben uns das dann gemeinsam angeschaut und ich habe mit Schmerzen beschlossen, den Benz nur als Ersatzteilträger zu benutzen. Oh, wie ich das hasse. Das habe ich schon zu oft erlebt bei den VW Bussen, immer wieder diese Fehleinschätzungen, getragen von dem Wunsch, der als Vater der Gedanken selten etwas taugt. So entstehen Ersatzteillager in Größenordnungen. Ich heiße in der Bulli-Szene nicht ohne Grund „Teilemessi“.
Und Resi hat hat den goldenen Benz zu sich in seine kleine Werkstatt gebracht. Dahin, wo er früher immer seine Motorräder aufgebaut hat. Er hat ja noch nie selbst geschweißt. Auch hier war nochmals ne Bestandsaufnahme angesagt. Wie erhofft, war der goldene Benz, El Presidente, nicht ganz so durch wie mein roter. Und da kam das Angebot eines Bekannten aus der Bulli-Szene an ihn wie gerufen. „Hey Resi, wenn ich Dir einen Einführungskurs im Schweißen geben soll, sag Bescheid!“ Und er hat Bescheid gesagt und mir meine Bodenbleche abgekauft.
Ich brauchte also einen neuen Benz und Resi wollte versuchen, den goldenen Benz aufzubauen. Dies und mehr in den nächsten Beiträgen.