On Tour

Europa Africa Rodeo 2024 – Stage 03 Von Bou Jerif nach Laayoune (Westsahara)

Bei dieser wiederum knapp 500 km langen Etappe waren erneut 2 Tage einkalkuliert, denn die Bikes sollten/wollten den legendären Strandabschnitt „Plage Blanche“, eine original Paris => Dakar-Etappe, befahren können. Der „Ausstieg“ war wohl ziemlich tricky. Es haben sich sogar etliche Autos getraut, auch wenn diese dann den gleichen Rückweg nehmen mussten wie beim „Einstieg“. Wir hätten das ohnehin nicht gemacht, weil ich mir die Benze nicht mit Salzwasser fluten wollte. So etwas rächt sich immer später. Zahlreiche weitere Zwischenstopps entlang der Atlantik-Küste waren möglich, jedoch natürlich nicht vorgegeben. Allein vom zeitlichen Aufwand her konnte ohnehin nur ein Teil der teilweise begnadeten Fotopoints angefahren werden. Wir haben uns entschieden, uns von dem zweiten Benz (Resi) zu trennen und die gesamte Strecke in einem Rutsch zu fahren. Dies geschah nach einer erneuten Panne, Reifenplatzer hinten links aufgrund fester Fußstellbremse. Das Seil war gerissen. Wer war wieder gleich zur Stelle? Ronzo, mein junger Abschlepp-Hero, der aber nicht abschleppte, sondern nach Entfernen eines Großteils der jedenfalls vor Ort nicht reparablen Feststellbremse das Reserverad montierte und mich darauf hinwies, dass es etwas schleifen könne, da er nicht alle Teile der Feststellbremse habe entfernen können. Man befand sich ja immerhin auf einer Überlandstraße bei über 40 Grad, da ging es nur ums Weiterfahren.

Blöderweise hatte ich 2 Reserveräder mit anderen Felgen mit, als die montierten Räder. Und ja, diese hatten kürzere Radschrauben (Serie). Die hatte ich auch mit, logisch, aber beim Reifenwechsel nicht daran gedacht und daher die ursprünglichen und damit zu langen Schrauben wieder montiert. Ja, es hat Geräusche gemacht. Ja, auch nicht wenig. Aber das waren ja die Reste der Feststellbremse, die sich da noch abschliffen. Oder etwa nicht? Natürlich nicht. Aber das habe ich erst später festgestellt.

Das Vorderrad mit dem defekten und notdürftig reparierten Traggelenk schlackerte und schlug mir in die Hände. Mit Lenkrad loslassen wäre ich sofort in die Pampa abgebogen. Nicht schön. Hinten links machte es auch Geräusche, mehr und mehr. Nicht schön. Irgendwann werden ja die blöden Teile der Feststellbremse auch mal weggeschliffen sein. Ach, hübsch, auf einmal wurde es tagsüber immer dunkler. Ein Sandsturm bahnte sich an. Ne, kann ich jetzt nicht wirklich gebrauchen. Wenn wir erneut liegen bleiben schon gar nicht. Und wir haben den Benz gestreichelt. Da wo er es gern hat, oberhalb der Handschuhklappe am Armaturenbrett. So ähnlich wie in dem Film „Ziemlich beste Freunde“ an den Ohren. Ihr kennt die Szene bestimmt. Meine Lieblingsszene aus dem Film ist natürlich eine andere, die mit dem Maserati Quattroporte durch die Tunnel von Paris. Habe ich auch schon gemacht, auch mit einem Maserati Quattroporte. Aber das ist mal ein anderes Thema.

Wo waren wir? Ja, richtig, Sandsturm. Alles erlebt man irgendwann mal das erste Mal. Jetzt war also Sandsturm angesagt. Und Resi war als Begleitschutz nicht da. Blöd. Na ja, kann bestimmt unangenehm werden, aber sterben werden wir sicher nicht. Man fängt ja dann an, seine Vorräte zu sichten: Getränke hatten wir noch genug, bei Essen sah es jedoch echt mau aus. Nur noch ein paar Riegel und die Spezialnahrung meiner Frau, die sich schon so oft bewährt hatte, einzeln abgepackte Pumpernickelscheiben. Die halten gefühlt 50 Grad plus und 50 Grad minus aus. Irgendwas zum Draufpacken werden wir auch noch in der Kühlbox finden. Der Wind war schon heftig, komplett von der Seite und teilweise auch von vorne. Und das verschlechterte noch das ohnehin beschissene Fahrverhalten. Aber der Benz lief. Und es wurde noch dunkler. Ok, wir hatten ja Licht, eine Menge Licht. Wenn man vorne 10 Scheinwerfer anmacht, sieht man auch etwas. Nur bei Gegenverkehr musste man ein wenig „dimmen“. Aber sonst volle Lotte. Kein Auto hat uns überholt, alle reihten sich brav hinter uns ein und profitierten von der Weihnachtsbaumbeleuchtung. So viele waren es ja auch nicht, 3 oder 4. Der Rest blieb zu Hause. Die hatten vielleicht Verkehrsfunk oder den Wetterbericht gehört.

So langsam näherten wir uns Laayoune. Große Polizeikontrolle mit – wie sagt man – „peinlichster“ Befragung durch die Geheimpolizei. „Woran erkennt man die?“ wurde ich später gefragt. Wo liegt der Unterschied zu einem „normalen“ Polizisten? Der „normale“ Polizist kann nicht vollkommen akzentfrei und besser Englisch sprechen als meine Frau und die ist fast Muttersprachlerin. Die Fragen nach dem „Woher“ und „Wohin“ und andere Themen waren echt nervig. Wir haben da eine ganze Zeitlang verbracht. Das erinnerte mich an frühere Grenzübertritte in die ehemalige DDR vom Westen aus. War nicht witzig. Wir waren dann auch nicht mehr wirklich gelassen. Er hat permanent die gleichen Fragen wiederholt, um uns in Widersprüche zu verwickeln. Wir haben wortgleich stets die gleichen Antworten gegeben. Er wusste ja nicht, dass wir wussten, wie es geht. Vernehmungstechnik kenne ich. Irgendwann hat er uns in Ruhe gelassen und uns eine gute Weiterfahrt gewünscht, nicht ohne uns eine Werkstatt in Laayoune zu empfehlen, die von seinem Bruder betrieben wird. Nein, die haben wir nicht aufgesucht. Es war schon richtig dunkel. Müde und kaputt haben wir uns ein Hotel gesucht und gefunden. Kurze Konversation mit Tom, der uns einen örtlichen Ansprechpartner nannte, der sich nach seiner Aussage um alles kümmern würde. Uns ging es ja darum, eine kompetente Werkstatt zu finden, die die Blessuren des Benz in Ordnung bringen sollte.

Kein Thema, am nächsten Morgen Kontakt gemacht, einen Standort der Werkstatt mit Google Maps geschickt bekommen und mit wirklich letzter Kraft dorthin gehumpelt. Es war eine Garage, eine kleine Garage. Daneben gab es etliche weitere kleine Garagen. Und von den kleinen Garagen war das wohl die mit dem kompetentesten Schrauber. So hieß es. Und so stimmte es auch! Schadenaufnahme. Ach du scheiße. Ja. Die Bremsscheibe hinten links, wo die zu langen Radschrauben montiert waren, war komplett zerstört. So etwas habe ich in 45 Jahren noch nicht gesehen. Alles demontiert. Erst vorne das Traggelenk erneuert. Es handelte sich um ein original verpacktes, neues Mercedes-Ersatzteil, welches aus einer der Nachbargaragen herüber diffundierte. Ich habe mich über gar nichts mehr gewundert. Der Mechaniker gestattete, dass ich mit ihm zusammen schraubte. Erst habe ich ihm nur Handreichungen und Hilfestellungen gemacht. Später hat er mir Anweisungen gegeben, was ich machen sollte. Habe ich gemacht. Der gegenseitige Respekt stieg. Ich wollte die Reparatur hinten anders ausführen als der Mechaniker. Er sprach kein Englisch, ich kein Arabisch. Google-Übersetzer war mir zu affig. Tatsächlich kann man sich mit Gesten und anderen Mitteln verständigen, wenn beide wissen, um was es geht. Wir haben es dann so gemacht, wie er wollte. Ich hatte nicht gedacht, dass er die Feststellbremse durch Gebrauchtteile wieder voll in Funktion bringen könnte. Hat er aber. Die komplett zerstörte hintere Bremsscheibe hat er durch eine gefühlt 35 Jahre alte und komplett verrostete andere Bremsscheibe ersetzt, vorher mit Schmirgeln mit Sandpapier und anderen abrasiven Tätigkeiten einigermaßen auf Stand gebracht.

Tatsächlich haben wir es geschafft, nach etwa 8 oder 9 Stunden gemeinsamer Arbeit incl. Mittagspause, so viel Zeit muss sein, den Benz wieder komplett ins Laufen zu bekommen. Nein, die Spur haben wir nicht eingestellt, aber irgendwie schon. Nach der Reparatur lief er fast geradeaus. Und wir haben es noch gerade rechtzeitig zum Checkpoint außerhalb von Laayoune geschafft und auch das gemeinsame Abendessen auf Einladung des örtlichen Motorsport-Clubs genossen. Ach ja, der Chef des Clubs war mein morgendlicher Ansprechpartner und er hat sich riesig gefreut, dass alles so prima geklappt hatte. Kosten? Ich habe für die Ersatzteile umgerechnet 150 Euro gezahlt plus 85 Euro für einen neuen Reifen. Und an Arbeitslohn wollte „mein“ Mechaniker nichts haben. Ich hatte ihm versprochen, ihm nach den noch bevorstehenden Wüstenetappen meinen Koffer mit dem Akku-Schlagschrauber zu schenken. Top Werkzeug für top Mechaniker. Er war ja nur Angestellter. Und ich habe mitbekommen, wie er mehrfach seinen Chef inständig bat, dass er mir keinen Lohn berechnen solle und auch nur die örtlich üblichen Ersatzteilpreise und nicht die Touristenpreise. Das hatte mir mein Ansprechpartner aber schon am Morgen zugesichert. Und es wurde alles eingehalten. Natürlich habe ich dem Bruder des Mechanikers, der mit 2 anderen örtlichen Crew-Fahrzeugen das Europe-Africa-Rodeo durch die Wüstenetappen noch bis Merzouga begleiten sollte, dann auch den Akku-Schlagschrauber feierlich übergeben. Das Grinsen ging ihm nicht mehr aus dem Gesicht. Neuanschaffung bei Amazon mit allen Rabatten: 103 Euro. Ich habe selten so gerne etwas abgegeben.

Irgendwie haben wir auf dieser Stage einen VW T3 mit luftgekühltem Motor „verloren“. Den (fast erwartbaren, ja, Besserwisser) Motorschaden konnten selbst die begnadeten Schrauber in Marokko nicht reparieren., weil es für derartige Motoren praktisch keinen Ersatz gibt. Manchmal ist es wirklich klüger, sich vorher schlau zu machen, z.B. bei jemandem, der schon 800.000 km mit seinem VW T3 absolviert hat, und quasi zig mal durch die Sahara gefahren ist.

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