On Tour

Europa Africa Rodeo 2024 – Stage 02 Von Agadir nach Bou Jerif

Nach der vorherigen 3-Tages-Etappe, um den Teilnehmern – wie uns und zahlreichen anderen auch, die das für sich entschieden hatten – den Besuch von Marrakesch zu ermöglichen, kam nun wieder eine 2-Tages-Etappe. Ach so, zu den Regularien: Es handelt sich hier nicht um eine klassische Rallye, also weder um eine zwecks Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten konzipierte Veranstaltung, noch um eine solche, bei denen die Teilnehmer vorgegebene Strecken in einer vorgegebenen Zeit im Sinne einer sog. Gleichmäßigkeitsprüfung zu absolvieren haben. Es gibt Checkpoints am Ende der diversen Etappen /Stages. Spätestens da trifft man sich und erhält den „Brief“ für den nächsten Checkpoint sowie die Aufgabenstellungen, die letztlich über den „Sieg“ des Rodeos entscheiden. Barbershop, Müll Sammeln, „Travel and work“ und andere Challenges: Kann man machen, muss man aber nicht. Wir haben nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass sich verschiedene Teams zu Gruppen zusammenschließen, eine individuelle Streckenführung ausarbeiten, Zwischenziele (Sehenswürdigkeiten, Lost Places usw.) festlegen, sich unterwegs helfen etc. Wir waren da wohl am weitesten fortgeschritten, da ich zeitlich weit vor den anderen auf der Basis des Roadbooks 2023, welches sich nur marginal von dem 2024er unterschied, eine ziemlich detaillierte Ausarbeitung unserer einzelnen Etappen mit Alternativ-Routen vorgenommen hatte, dazu aber später. Das hat jedenfalls auch dazu geführt, dass wir weniger klassische Offroad-Strecken als andere gefahren sind, dafür mehr Pässe und eben auch deutlich mehr Kilometer.

Von Agadir ging es erst einmal Richtung Hinterland zu einem der von mir gehofften Highlights der Tour, den „Blauen Steinen“ bei Tafraoute. Dabei handelt es sich – kurz gesagt – um ein Kunstwerk eines belgischen Künstlers aus den 1980er Jahren, der da mal einfach 18 Tonnen blaue Farbe besorgt und damit ganze Felsformationen „angestrichen“ hat. Irgendwie fanden das sowohl die Einheimischen als auch die Touristen toll und so hat sich eine sehenswürdige Sehenswürdigkeit entwickelt. Im Laufe von 40 Jahren ist natürlich die blaue Farbe irgendwann einmal verblasst, da fasste sich die örtliche Feuerwehr ein Herz und hat nochmal 18 Tonnen Farbe gekauft, überwiegend blau. Da ihnen das aber zu langweilig war, haben sie auch ein wenig schwarze, gelbe und rosa Farbe gekauft und die Felsen neu angemalt. Wir alle hatten geplant, dort verbotswidrig zu übernachten. Im vergangenen Jahr kam der Polizeichef und wollte die dort campenden Teilnehmer des letztjährigen Rodeos wegschicken. Er ließ sich aber von einer Flasche Whisky, die er vor Ort mit den Teilnehmern trank, vom Gegenteil überzeugen, fuhr dann mit seinem Polizeiauto weg und kam mit einer Einkaufstüte Gras zurück. Es muss wohl noch ein toller Abend geworden sein …

Quintessenz: Bei der diesjährigen Tour hatte gefühlt jeder Zweite eine Flasche Whisky mit. Man ist ja lernfähig. Aber wir haben die Rechnung ohne den Wirt oder Polizeichef gemacht. Er kam gar nicht, weil genau an dem Tag zum Ende des Ramadan das Fastenbrechen durch das sog. Zuckerfest gefeiert wurde. Dabei handelt es sich wohl um einen der höchsten Feiertage im islamischen Glauben. Da das Zuckerfest den Tag des Fastenbrechens darstellt, ist an diesem nichts von dem verboten, was während des Ramadan verboten war. Weiterhin nicht erlaubt sind aber Dinge, die in der heiligen Schrift des Islams (Koran) verboten sind – also etwa der Verzehr von Schweinefleisch oder Alkohol. Ok. Whisky wäre also „offiziell“ sowieso nicht drin gewesen. War ja klar.

Ich hatte mich auf genau diese Übernachtung bei den blauen Felsen im Vorfeld total gefreut und hatte dazu auch etwas vorbereitet: Ich hatte eine Lightshow mitgebracht, die ich nach Einbruch der Dunkelheit passend zur Musik über Bluetooth-Lautsprecher betrieben habe. Es begann mit Pink Floyd „Sorrow“, ging über weitere Songs von Pink Floyd, Deep Purple, Mark Knopfler, Tina Turner, Golden Earring und andere alte Männer und Frauen bis nach Mitternacht. Es war ein begnadeter Abend. Wir haben auch Zuckerfest gefeiert, wir hatten ja genug Whisky über und Cola und Gin und Tonic und einige Paletten Bier.

Beinahe wäre dieses tolle Erlebnis zumindest an mir vorbei gegangen. Beim Ausweichen vor einem Hund, der plötzlich quer über die Straße lief, hakte mir das vordere linke Traggelenk aus. Toll. War doch noch vor der Tour durch den Vorbesitzer erneuert worden. Jetzt fehlte eine Schraube, ein Gummi und die Sicherungsscheibe und das Rad stand merklich schief. Notdürftig gerade gerückt und zurück nach Agadir gehumpelt und eine Werkstatt gesucht. Pustekuchen. Alles geschlossen. Nix. Nada. Aber da zeigte sich das erste (und nicht letzte) Mal, was es heißt, in einer solchen tollen Gruppe zu fahren. Ronzo, 23, hauptberuflich LKW-Abschleppfahrer mit einem aufgemotzten MAN und daher absolut fit, wie man alles, was eigentlich rollen soll, es aber nicht tut, wieder zum Rollen zu bringen, befand sich nur wenige hundert Meter von mir entfernt. Also quasi im Wortsinne „um die Ecke“. Er hatte – ich weiß nicht wie – den Besitzer eines Schrottplatzes organisiert, dass er ihm für einen anderen Tourteilnehmer, der einen Cinquecento fuhr, Teile besorgt, um den zu reparieren. Er selbst fuhr einen Golf III Benziner mit 60 PS, von dem es wahrscheinlich in ganz Marokko nur 2 Stück gab, alles andere waren Diesel. Er hat also das Gegenteil von uns gemacht. Wir haben uns für eines der ursprünglich am verbreitetsten Modelle entschieden. Jedenfalls kam Ronzo mit dem Cinquecento-Fahrer bei uns vorbei, schaute sich den Schaden an und begann mit der Notreparatur. Gummilager von innen nach außen getauscht, die Lücke mit einem alten Lappen gefüllt, den er mit Kabelbindern befestigte. Dann baute er das hintere Domlager aus seinem Golf aus und nutze es als Konterscheibe, dann noch ne selbstsichernde Mutter aus dem Bestand und alles wieder zusammengeschraubt. Ja, ich hatte einen Akku-Schlagschrauber mit. DAs hat es aber nur geringfügig erleichtert. Das Domlager sicherte er dann wieder anders. Verrückt. Die Notreparatur hat knapp 1.000 km gehalten, bis ich eine Komplettrevision aller Teile, die auf der Tour bis dahin kaputt gegangen waren, in der Westsahara in einer Hinterhof-Garage machen konnte, ohne dass ich wesentliche Stopps auf der Tour auslassen musste.

Sowohl auf der Hinfahrt nach Tafraoute als auch auf der Weiterfahrt Richtung Bou Jerif haben wir grandiose Landschaften passiert und uns geschworen, dort auf jeden Fall wieder hinzufahren. (Spoiler: Durch eine Umplanung auf einer der Folgeetappen haben wir dann die Region auch noch von und in andere Richtungen bereist. Definitiv eine der geilsten Gebiete, die wir je gesehen haben). Nächster Stopp war das bekannte französische und bereits halb verfallene Fort Bou Jerif, welches man nur über eine 9 km lange Piste erreichen kann. Es gibt Leute, die wegen einiger gröberer Verwerfungen, die ein wenig Bodenfreiheit erfordern, sagen, dass die Piste für normale PKW nicht befahrbar sei. Blödsinn. Ja, wir hatten die Benze mit Unterfahrschutz ausgerüstet und ein wenig höhergelegt. Durch unsere Beladung mit viel zu viel unnötigen Equipments waren wir aber wieder im Serienzustand unbeladen. Ging absolut problemlos. Nur einmal hat es ein wenig „geschrappt“. Direkt neben dem Fort befindet sich der zugehörige Campingplatz, bei dem früher auch Teilnehmer einer Kultetappe der Rallye Paris => Dakar übernachtet haben. Ja, der wird als teuer beschrieben. Ja, er war auch teuer. Aber jetzt mal im Ernst: Ich habe kein problem damit, 65 Euro für eine Übernachtung plus 2 Mehrgänge-Menues plus 2x Frühstück zu bezahlen. Ja, die Dose Bier hat 5 Euro gekostet. Da kann man sich beschweren und Wasser trinken oder bezahlen und Bier trinken. Warum eigentlich werden einige Leute im Urlaub so furchtbar geizig? In einem islamischen Land, in dem es ohnehin – anders als in der Türkei – schwierig ist, an Alkohol zu kommen und die Ausschanklizenzen ziemlich rar gesät sind, soll man doch froh sein, wenn man nach einem staubigen Tag ein oder zwei Dosen Bier abpumpen kann.

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