On Tour

Europa Africa Rodeo 2024 – Stage 01 Von Tanger nach Taghazout (Agadir)

Wahnsinn. Wir sind in Marokko! Angekommen. Start mit den beiden Benzen in Mühlhausen, Zwischenübernachtung am Bodensee, Weiterfahrt nach Cremona, dann am nächsten Morgen ganz früh auf die Fähre in Genua. Erster Schreck: Die Check-in-Zeit wurde um 1 Stunde vorverlegt. Die Nachricht haben alle per Email bekommen. Ich habe sie nicht gelesen. Also war „letzte Rille“ mit den Benzen bis zum Hafen in Genua angesagt. Unterwegs trafen wir an einer Tanke noch Tom, den „Erfinder“ des Europe-Africa-Rodeos, der uns begleiten sollte, in einem Crew-Fahrzeug. Ein Toyota Land Cruiser aus geschätzt 2005 mit knapp dreimal so viel Leistung wie unsere Benze, ein ungleicher „Wettbewerb“. Wir haben ihn gefragt, ob wir uns dranhängen können. „Ihr könnt es ja versuchen, aber spätestens in den Bergen werden wir uns verlieren.“ Ok. Die A7 ist insbesondere ab der „Grenze“ vom Piemont nach Ligurien bis nach Genua eine durchaus ehrgeizig zu befahrende Autobahn mit teilweise echt engen Kurvenradien, ziemlich anspruchsvoll jedenfalls jenseits der vorgeschriebenen Geschwindigkeiten. Ich kenne die Strecke …

Und Tom drückte aufs Gaspedal, er wollte ja die Fähre noch rechtzeitig erreichen bzw. den Check- in, bevor der schließt. Haben wir uns natürlich anstecken lassen. So ein Leistungsüberschuss des anderen Fahrzeuges ist blöd. Er hat – so fair war er – uns nicht gleich versucht abzuhängen. Wir sind dran geblieben. Und dann kamen die Kurven und die Steigungen, wir mit den Benzen. Und? Es hat einen Grund, warum die alle lieben. Und ich habe mich gefreut, dass die Fahrwerksumbauten so krass gut funktionierten. Die Benze lagen in den Kurven wie ne 1, überhaupt kein Vergleich mit dem Serienfahrwerk. Kaum Seitenneigung und noch weit diesseits des Grenzbereichs. Lustig. Damit war der Grundstein gelegt, um auf dem Gas zu bleiben, in jeder Kurve, vor allem Berg hoch plus Kurve. Und da lag dann auch der entscheidende Vorteil gegenüber dem Land Cruiser, der in Abwandlung des Spruches, dass Fußrasten bei Motorrädern Verschleißteile sind, gleiches mit seinen Schwellerrohren versuchte. Abenteuerliche Seitenneigungen! Ach so: Den großen Nachteil der Benze, nämlich die ausgelutschten Federkern-Sessel aus Opas Wohnzimmer haben wir im Vorfeld ja durch den Einbau von SLK-Sitzen kompensiert. Perfekter Sitzkomfort und Seitenhalt über die gesamte Tour hinweg. Das war ein Volltreffer. Ohne die Sitze hätte uns das beste Fahrwerk nichts gennutzt. Wir wären völlig schwerelos durch das Auto gerollt.

Wir sind dran geblieben, also der orange Benz und kurz hinter uns auch der blaue Benz mit Resi. Geil. Das war die Feuertaufe. Es geht. Und wie! Hafen erreicht, Check-in-Schalter noch offen und auch noch 1 1/2 Stunden später. Also quasi umsonst Adrenalin ausgeschüttet. Aber missen wollte ich den Streckenabschnitt jetzt auch nicht. Fährüberfahrt easy, ging über Barcelona, wo noch andere von unserer Truppe eincheckten. Erstes Kennenlernen auf dem Schiff, echt interessante Leute, Schweizer, Österreicher, Franzosen, ein Team aus Ungarn, auch ein paar Deutsche. Die Biker waren in der Mehrzahl und es waren super interessante Typen. Das wird was werden.

Tourstart in Tanger, einige „Offizielle“ vor Ort, es sollte wohl auch einen Fernsehbericht geben. Wir hatten ja auch einen vom MDR. Und los ging es zu unserem ersten Zwischenstopp in Asilah an der Atlantik-Küste. Ein außergewöhnlich interessantes Küstenstädtchen, toll gelegen und ähnlich wie Alghero auf Sardinien komplett von einer mittelalterlichen Stadtmauer umschlossen. Sehr spannend, aber es war noch Ramadan, also komplette gastronomische Unterversorgung. Hatte ich zwar gewusst, aber trotzdem nicht permanent „auf dem Schirm“. Trotzdem einen begnadeten Pfefferminztee bekommen und heimlich auch ein paar Kekse. Weiter auf der Bahn (entgegen dem Tourmotto „Backroads“) bis nach Marrakesch. Es war ein ganz schöner „Ritt“, in den Abendstunden angekommen und zu unserem vorgebuchten und bezahlten Riad mit bewachtem Parkplatz. „Haben Sie unsere Email nicht bekommen? Nein? Wir hatten doch einen Wasserschaden und haben Ihre Zimmer storniert.“ Das brauche ich eigentlich nicht gleich am Anfang. Emails gecheckt. Ja, ich habe eine bekommen, 2 Stunden vorher. Booking.com ist da sehr zuverlässig und vor allem so zeitnah. Sarkasmus-Modus aus. Aber irgendwie hat es sich dann doch geregelt. Schlüssel waren unsere Benze, um die sich gleich eine Schar Interessierter versammelte. Ruck zuck hatten wir ein Alternativangebot für ein komplettes Riad, also ganz für uns allein. Kann man mal machen. Natürlich teurer, aber am Anfang der Reise hat man ja noch Geld. Ging aber.

Dann gleich mit dem Taxi für umgerechnet 5 Euronen ins Zentrum von Marrakesch und wieder eingetaucht in eine der faszinierenden Staädte der Welt und sofort wieder zurechtgefunden, Stimmung und Gerüche aufgesaugt, angekommen. Den nächsten Tag zu viert wieder in die Stadt, diesmal zu Fuß und sich langsam annähernd. Eintauchen in Souks, in Gastronomie. Ramadan? Fehlanzeige, nichts davon zu spüren. Ein idealer Start in die Tour.

Dann erstmal eine Enttäuschung. Auf dem großen Taxiplatz, auf dem noch vor Jahren gefühlt Hunderte Brüder und Schwestern unserer Benze geparkt hatten und auf Kundschaft warteten, haben wir wieviele Benze gesehen? Einen, genau einen. Der Rest bestand nahezu ausschließlich aus Dacias aller Baureihen. Warum? Weil Renault als Konzernmutter 2012 in Tanger eines der leistungsfähigsten und modernsten Automobilwerke überhaupt eröffnet hat und den heimischen Markt mit Dacia-Modellen regelrecht geflutet hat. Ungeachtet dessen wird in über 70 Länder exportiert, eine Erfolgsgeschichte, die sicher auch Mercedes oder VW hätten schreiben können, wenn sie denn gewollt hätten. Auf jeden Fall konnte ich mein Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen, ein Bild unserer beiden Benze inmitten einer Schar identischer Autos. Da bin ich einfach ein paar Jahre zu spät gekommen.

Am Folgetag sollte es dann über den Tizi n´Test gehen, einen ehrgeizigen Gebirgspass von knapp 2.100 m Höhe, der als eine der schönsten Bergstraßen Marokkos gilt. (Spoiler: Wir haben im späteren Verlauf der Tour noch einige deutlich spektakulärere Straßen befahren, aber die kennt wahrscheinlich kaum jemand). Er ermöglicht die Überquerung des Hohen Atlas und bietet außergewöhnliche Aussichten. Es war unser erster größerer Pass in Marokko (nach dem San Bernardino) und es war zugleich auch der ultimative Test für die Benze. Wir haben dann auch gleich „Zuwachs“ bekommen, der dritte W123 Benz aus unserer Truppe hat sich uns angeschlossen und wir sind diese Etappe gemeinsam gefahren. Die herausragende Schönheit der Landschaft, die Schotterpassagen und auch der fahrerische Anspruch traten aus meiner Sicht komplett in den Hintergrund, weil wir mitten durch das Gebiet des schweren Erdbebens aus dem Jahre 2023 gefahren sind. Alles so schön bunt hier? Nein, es waren noch die Zelte der Flüchtlingslager aus den Dörfern und kleinen Städten, die teilweise vollständig zerstört waren. Das war Beklemmung pur. Trotzdem haben uns viele Kinder an den Straßenrändern zugejubelt, weil wir wohl wieder ein Stück Normalität in den Alltag zurückgebracht haben. Wir haben uns gleichwohl ein wenig geschämt, sind wir doch alles andere als Katastrophentouristen. Jedenfalls waren wir doch froh, als wir das Gebiet verlassen haben. Ach so ja: Für die Benze war der Pass trotz der geringen Motorleistung nullkommanull Problem, oft war noch der 3. Gang möglich, in engeren Kehren auch mal der 2. Gang und dann hochbeschleunigt.

Über Taroudannt, von anderen auch aufgrund der beeindruckenden Stadtmauer zu Recht als „Klein-Marrakesch“ bezeichnet, sollte es dann weitergehen zu unserem ersten Etappenziel, der marokkanischen Vorschule, die durch den Veranstalter als Charity-Maßnahme seit etlichen Jahren unterstützt wird. Aufgrund Verspätungen zahlreicher Teilnehmer und des andauernden Ramadan, der das öffentliche Leben außerhalb solcher Metropolen wir Marrakesch schon ziemlich zum Erliegen bringt, wurde der Zielort quasi gecancelt und der berühmte „Brief“ mit dem nächsten Check-Point für das nächste Etappenziel online in die WhatsApp-Gruppe der Teilnehmer gestellt. Das hat sich wirklich bewährt und hat die Kommunikation unter und mit allen Teilnehmern sehr gut ermöglicht. In Marokko läuft praktisch alles über WhatsApp, deutlich weniger über Email. Apropos Kommunikation: Ich hatte ja im Vorfeld zwei Handquetschen über TEMU besorgt, Empfang angeblich über knapp 3km möglich. Die haben sich ebenso bewährt. In Anlehnung an die Farben unserer Benze: „Blaubeere an Orange, bitte kommen!“  „Ja, Du Pflaume, was gibt´s?“ Und dann erfolgten die erforderlichen Abstimmungen, wenn man miteinander in zwei Autos fährt, Pausenankündigungen, koordinierte Tankstopps, Essen, Fotostopps etc. Nie wieder ohne. Wir haben dann die Strecke nach Taghazout abgekürzt und sind gleich in Agadir geblieben und haben uns dort ein Hotel gesucht, quasi ein Aparthotel mit Frühstück für superkleines Geld.

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