On Tour

Mit dem VW T4 plus Pferdeanhänger nach Polen – Teil1

Ich fungiere ja seit einigen Jahren als Turniertrottel für eine meiner Töchter. Im letzten Jahr wurde ich zum Oberturniertrottel befördert, weil ich das Pferd alleine verladen kann und auch Stollen rein- und rausdrehen kann. Inzwischen habe ich mir dafür etwas besseres Werkzeug besorgt, einen Ratschenschlüssel. Nachdem eine Freundin 2 Tage vor geplanter Abreise abgesagt hatte, bin ich erneut eingesprungen, um dem Mädchen ihre Chance auf Teilnahme an den nächstjährigen Deutschen Meisterschaften nicht zu versauen. Alleine wollte ich sie jetzt nicht wirklich mit VW T4 hochlang plus Anhänger und Zossen nach Polen fahren lassen, Gesamtzuggewicht so etwa 4,7 Tonnen. Anhängerführerschein hat sie extra gemacht, damit ich nicht immer mit muss und sie auch mal das Pferd von A nach B allein bringen kann.

Ich konnte erst am Donnerstag Mittag nach einem wichtigen beruflichen Termin losfahren und bin noch in Businessklamotten in den Bus gesprungen, zum Reiterhof gefahren, Anhänger angehängt, Pferd verladen, E-Quad und E-Bike verladen etc und ab auf die A4 Richtung Görlitz. Duch die großen AT-Räder brauchte ich eine Geschwindigkeit von > 105 km/h, um im 5. Gang fahren zu können, drunter war ich außerhalb des Turbobereichs. Ok. Ich also der Tochter theoretisch das Anhängerfahren mit Schaltwagen erläutert, das Anfahren am Berg usw. Davor hat sie ja Mordsrespekt. Am besten massig Leistung und Automatik, drauf treten und gut ist es. Ich hatte ihr daraufhin dann einen gebrauchten Touareg V6 TDi besorgt, der in etwa dem Verkaufspreis eines meiner (10 Jahre älteren) T4 entsprach. Das hat gepasst und sie furchtbar verwöhnt. Ich habe ihr schon angekündigt, dass ich nicht noch ein Zweitauto für ihre Turnierzwecke vorhalten könne (wolle), in dem sie auch übernachten kann. Ansprüche haben diese Kinder … oder Wünsche … „Die anderen haben auch große Turnier-LKWS“. Ja, weiß ich. Aber auf Geld kann man nicht reiten, ist immer meine Standardantwort. Außerdem sind „die anderen“ in der Regel Berufsreiter, Olympiasieger usw., die auch ihre Sponsoren haben.

Im Vorfeld musste sie eine amtstierärztliche Untersuchung machen, kostenpflichtig. Dann wurden ihr irgendwie „Frachtpapiere“ ausgehändigt, meine Tochter war auf einmal Transportunternehmerin. Hat sie sich selbst drum gekümmert. Es lief überraschend gut, zahlreiche Tschechen, Polen, Weißrussen, Russen, Litauer und Ukrainer auf der A4 gen Osten unterwegs. Nervig sind allein die Kleinlaster mit Wohnkabine über dem Fahrerhaus. Die sind wie Schmeißfliegen. Wir hatten den Hinweis, kurz nach der Grenze zu Polen eine bestimmte Tankstelle anzufahren, wo ich „Viatoll“ machen müsse. Eih, ich will doch nur mit dem Bulli nach Polen und habe nen Anhänger mit Zossen hinten dran. Ich will auch garantiert wieder zurück. Egal. Ich musste ein Piepsgerät besorgen, komplette Neuanlage meiner Daten, eine knappe Stunde war schnell um. Und das direkt an der Kasse einer Autobahn-Tanke. Irgendwann haben sie dann noch ne zweite Kasse aufgemacht, weil die Schlange schon ziemlich lang war. Mit meinen Eintragungen in den Papieren konnte der Mensch, der nur polnisch sprach, absolut nichts anfangen. Euro 0, weil die ganze Geschichte mit PM-1 und Euro schlagmichtot steht da zwar, aber eben nicht auf polnisch. Egal. Sind ja nur 120 km auf der polnischen Autobahn nach Strzegom, dem traditionellen Jahresabschlussturnier in der Szene in Europa. So wurde ich zum Trucker.

Das Gerät „Tollbox“ an die Frontscheibe, nach Bedienungsanleitung aktiviert und los ging es. Prima, 1x Piepen bedeutet, Transaktion erfolgreich, alles im grünen Bereich. Und es piepte auf der Strecke in einer Tour. Ich bin fast wahnsinnig geworden. Es fehlte nur das Geräusch der Registrierkasse „Rrrrrringggggg“ und wieder Kohle vom Konto runter. Gott sei Dank war es Prepay. Wenn alle dann alle. Plötzlich piepte es zweimal. Solch eine Schei..e, was bedeutet das jetzt? Bedienungsanleitug, 2x Piepen = Transaktion erfolgreich, aber Guthaben neigt sich dem Ende zu. Und das schon auf der Hälfte der Hinfahrt. Haben die mir da nen 40 Tonner eingepreist oder was? Und wieder und wieder dieses 2x Piepen. Und was dann? Gibt es da noch ne Steigerung? 3x Piepen ist nicht vorgesehen. Aber 4x Piepen. „Transaktion nicht erfolgreich. Bitte suchen Sie sofort eine Distributionsstelle auf.“ Ab da waren wir glücklich, dass es immer nur 2x piepte.

In Strzegom im Dunkeln angekommen war das ganze Gelände zugeparkt mit riesigen Sattelzügen und LKW in Schwertransport-Größe. Slideouts an allen Ecken und Enden und wir mit unserem Bulli. Wie in einem Trabant unter lauter Rolls-Royce. Aber erst einmal musste das Pferd verschafft werden. Wir hatten eine Box im Stallzelt geordert. Stallzelt? Es waren 10 Stallzelte! So etwas hatte ich noch nie gesehen. Insgesamt 400 Pferde aus ganz Europa und Übersee. Reiter aus ingesamt 26 Nationen. Hätte sie mir ja mal vorher sagen können, also vollständig sagen können. Mega Sicherheitsvorkehrungen, sauteure Pferde und was auch immer. Anhänger weitab auf Parkplatz „für Arme“ geparkt und tatsächlich mit dem Bulli noch nen Platz unter einem Baum gefunden, etwas schräg und direkt hinter einem der Groß-LKW, gefühlt doppelt so hoch wie der hochlang. Markise konnte nicht ausgefahren werden, aber das habe ich am Folgetag korrigiert, in dem ich mich umgekehrt hingestellt habe und die Markise genau zwischen Baum und Borke (LKW) passte, wenigstens ein paar Quadratzentimeter Privatsphäre. Direkt neben uns parkte Ingrid Klimke, aktuelle Einzel-Europameisterin aus August 2017 (wiederum in Strzegom) und mehrfache Olympiasiegerin, ggü, parkte Michael Jung, mehrfacher Olympiasieger auch in der Einzelwertung. Aha, das hat was und mittendrin die kleine Tochter, immerhin seit September 19 Jahre alt. Ingrid Klimke war übrigens mega nett und ist den Groß-LKW auch selbst gefahren mit Anhänger. Respekt!

Das Reitgelände, super professionell, beeindruckend, beispielhaft. Die Verpflegung, unterirdisch. Jeder deutsche Kleinstadt-Reitverein macht das besser auf einem Bambini-Turnier. Bäh und nochmals bäh. Toiletten, eine Steigerung von unterirdisch nach unten und zwar deutlich. Für Männer 2 (in Worten zwei) Toiletten in einem Wagen, wenn man nicht irgendwelche Geheimkabinette auf dem Gelände kannte, ich nicht, oder zwei im Wortsinne überfüllte ToiTois benutzen wollte. Zwölfmal bäh. Und von den 2 (zwei) Toiletten war bereits am Samstag 1 (eine) defekt. Reparatur? Fehlanzeige. Schlange an Toilette Nr.2 so groß, dass man sich schon anstellen musste, bevor man musste. Ok, ich an Schlange vorbei rein in defekte Toilette. Geschaut, was kaputt war und mit Bordmitteln (Hände) und Autoschlüssel und Flaschenöffner mit VW-Zeichen repariert. Ich dann nach draußen, um mir meine Hände zu waschen. Da geht doch ganz frech ein Osteuropäer, die Nation nenne ich jetzt mal aus Rücksicht ggü. dem Gastgeberland nicht, an mir auf meine frisch reparierte Toilette, um dort sein Ei zu legen. Ich springe vom Waschbecken an die Tür, reiße sie auf und schnauze den Menschen an, ob er noch alle an der Waffel hätte. „Glauben Sie im Ernst, dass für Sie (!) ein deutscher Rechtsanwalt diese beschiss..ene Toilette repariert, damit Sie (!) Hilfsjogi (ich habe ein anderes Wort benutzt) dort ihr Ei legen können? Seh ich aus wie Ihr persönlicher Kloreparateur? Und jetzt aber „pis.. off“ und hinten anstellen, Vollpfosten!“ Er hat sofort reagiert und das Männerabteil verlassen. Ich war zornig. Im Pissoire-Bereich hat sich dann ein anderer, der die Szene mitbekommen hatte, vor Lachen fast auf die Schuhe gepinkelt. Er hat wohl Deutsch verstanden … Und was macht der besagte Osteuropäer? Er versucht es im Frauenabteil! Da waren mehr Toiletten, da ja erfahrungsgemäß und geschlechtsspezifisch die Frauenseite mehr frequentiert wird. Aber da ist er an die Falsche geraten. Eine unüberhörbar italienisch sprechende Betreuerin hat dem eine Schimpfkanonade frisch aus einer neapolitanischen Vorstadt an den Kopf geworfen, die der nie wieder vergessen wird und ihn körperlich auch aus diesem Bereich heraus komplementiert. Mit puterrotem Kopf hat er sich relativ eilig getrollt.

Turnier selbst lief durchwachsen, nach der Dressur im hinteren Mittelfeld, im Springen dann 4 Stangen. Schei..e, 16 weitere Strafpunkte und 15 Plätze zurück, nach hinten aber noch „Luft“. Menno, wir sind zum Lernen hier! Dann kam ihre Paradedisziplin, das Gelände. Da braucht man echt „Eier“, sagt man in der „Branche“. Sehr tricky Hindernisse und auch noch hoch. Meine Nerven … Sie startet in der Startbox wie der Teufel, Hindernis um Hindernis ohne Fehler. Ich dachte schon … aber dann, Hindernis 10: Ein fieses Schweinehindernis, eine schmale Ecke, die man in gebogener Linie nach einem Wasseraussprung genau treffen musste. Vorbei geritten, Fehler. Weitere 20 Strafpunkte und natürlich Zeitfehler, weil sie das Hindernis ein zweites Mal anreiten musste. Dann aber die Aufgabe dem Pferd richtig und rechtzeitig vermittelt und problemlos übersprungen. Alle weiteren 15 Hindernisse super. Sie hat dann aber das Tempo ein wenig heraus genommen, weil eh nichts mehr zu reißen war. Gut so. Durch diesen beherzten Ritt wieder 7 Plätze nach vorne trotz des Fehlers. Aber andere haben eben auch Fehler gemacht, die meisten an Hindernis 10, so auch Ingrid Klimke und andere Topreiter, 4 oder 5 sind an diesem Hindernis sogar ausgeschieden, weil sie es auch beim dritten Versuch nicht schafften (1. Fehlversuch 20 Strafpunkte, zweiter zusätzlich weitere 40, dritter Ausschluss aus der Prüfung). Das hatte ich im Vorfeld nicht wirklich ernst genommen, im Gegensatz zu anderen Hindernissen, wo mir schon der Atem beim Anblick stoppte. Es fallen eben beim Gelände keine Stangen, sondern Pferde. Und das kann böse ins Auge gehen. Nicht ohne Grund tragen die alle Airbag-Westen.

An der Siegerehrung brauchte sie da natürlich nicht mehr teilzunehmen. Das stand auch nie auf der Agenda. Aber mit diesem Ergebnis hat sie die Quali für die Deutschen Meisterschaften der jungen Reiter geschafft. Ihr großes Ziel. Natürlich sind junge Damen per se unorganisiert und … na ja. Für das Leben im Bus braucht es da noch einiges an Erfahrung. Die wird sie aber künftig vermehrt alleine sammeln. Sie wird wohl lernen müssen, einen VW Bus mit Schaltwagen, begrenzten PS und Anhänger zu fahren. Aber nicht meinen, never.

Tags: On Tour

Mehr Beiträge

Ähnliche Beiträge