Nachfolgend ein Beitrag vom 14.2.2019 von Scheu, jurisPR-VersR 2/2019 Anm. 4
Orientierungssatz zur Anmerkung
Eine Bestimmung in den AKB von Kaskoversicherungsverträgen, die die verbindliche Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vorsieht, ist wirksam und verstößt nicht gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 14 BGB.
A. Problemstellung
Das LG Düsseldorf hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Durchführung eines in den Versicherungsbedingungen einer Kaskoversicherung verbindlich vorgeschriebenen Sachverständigenverfahrens vor Klageerhebung gegen geltendes AGB-Recht verstößt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende Versicherungsnehmer unterhielt bei der Beklagten einen Teilkaskoversicherungsvertrag für sein Fahrzeug. Nachdem das Fahrzeug dem Kläger unstreitig entwendet worden war, begehrte der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Erstattung des Wiederbeschaffungswertes. Zu diesem Zwecke hatte der Versicherungsnehmer einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In diesem Gutachten wurde der Wiederbeschaffungswert mit einem Betrag in Höhe von 62.500 Euro beziffert. Ein vom Versicherer eingeholtes Gutachten kam hingegen auf einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von nur 54.000 Euro. Aus diesem Grunde wurde ein gemäß § 14 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) vorgesehenes Sachverständigenverfahren eingeleitet, in welchem der Wiederbeschaffungswert mit 57.000 Euro beziffert wurde. Unter Abzug der Selbstbeteiligung erfolgte eine Regulierung des Versicherers sodann unter Zugrundelegung des im Sachverständigenverfahrens ermittelten Betrags.
Mit seiner Klage vertrat der Versicherungsnehmer die Auffassung, dass die Entscheidung des Sachverständigenverfahrens gemäß § 14 AKB nicht bindend sei und vielmehr auf den Betrag des vom ihm in Auftrag gegeben Sachverständigengutachtens abzustellen sei. Entsprechend richtete sich die Klage auf Zahlung der Differenz. Zur Begründung führte er aus, dass das Sachverständigengutachten schon mit Blick auf seine Dauer den Zweck verfehlt habe. Außerdem sei der am 26.02.2016 in Kraft getretene § 309 Nr. 14 BGB zu berücksichtigen, der vorsehe, dass eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sei, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen dürfe, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht habe. Aus diesem Grund sei eine Klage ohne Durchführung eines Sachverständigenverfahrens möglich. Die Beklagte hingegen vertrat die Auffassung, dass der Anspruch unbegründet sei, da die Entscheidung des Sachverständigenverfahrens Bindungswirkung entfaltet habe.
Das LG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen und der Beklagten Recht gegeben.
C. Kontext der Entscheidung
Im vorliegenden Fall sahen die Versicherungsbedingungen vor, dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens ein Sachverständigenverfahren durchzuführen ist. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes entscheidet gemäß den Bedingungen ein Sachverständigenausschuss. Sowohl dem Versicherer als auch dem Versicherungsnehmer ist es erlaubt, je einen Kfz-Sachverständigen zu benennen. Soweit sich dieser Ausschuss nicht einigen kann, entscheidet ein weiterer Kfz-Sachverständiger als Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden sollte. Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind quotal im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen vom Versicherungsnehmer bzw. vom Versicherer zu tragen.
Der beklagte Versicherer hatte auf Grundlage dieses Verfahrens entsprechende Zahlung geleistet. Das Landgericht hatte nun zu entscheiden, ob das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens für die Parteien in den Grenzen des § 84 VVG verbindlich war. § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG statuiert, dass wenn nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden sollen, eine getroffene Entscheidung nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage abweicht. Insbesondere hatte sich das Landgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die in den Versicherungsbedingungen der Beklagten vorgesehene Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens gegen AGB-Recht verstößt. Gemäß § 309 Nr. 14 BGB ist eine Bestimmung, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat, in AGB unwirksam. Das Landgericht verneinte eine Unwirksamkeit im vorliegenden Fall und führte aus, dass die streitige Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens bereits vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst sei. § 309 Nr. 14 BGB beziehe sich nur auf Verfahren, in welchen eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht werde. Hiermit seien aber Schlichtungs- und Mediationsverfahren gemeint. Bei dem Sachverständigenverfahren handele es sich jedoch gerade nicht um ein solches. Das Sachverständigenverfahren schaffe vielmehr eine Bindungswirkung, welche sich mit der Sachkunde der eingeschalteten neutralen Sachverständigen begründen lasse. Ferner sei das Verfahren im VVG ausdrücklich vorgesehen und üblicherweise in den Versicherungsbedingungen, also in den AGB geregelt, weshalb eine angenommene Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 14 BGB dazu führen würde, dass derartige Verfahren nicht mehr durchgeführt werden könnten.
Das Landgericht führte ferner aus, dass sich der Kläger auch nicht auf die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG berufen könne, wonach nicht von einer Bindungswirkung auszugehen ist, wenn eine erhebliche Abweichung von der wirklichen Sachlage besteht, da eine solche Abweichung im Hinblick auf die Beurteilung der unterschiedlichen ermittelten Höhen der Widerbeschaffungswerte gerade nicht gegeben sei. Zuletzt sei auch unter Berücksichtigung von § 84 Abs. 1 Satz 3 VVG kein anderes Ergebnis gerechtfertigt. Nach dieser Norm ist eine Feststellung dann nicht verbindlich, wenn die Sachverständigen die Feststellungen nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern. Ein Fall der Verzögerung wurde im gegenständlichen Fall vom Landgericht jedoch verneint.
D. Auswirkungen für die Praxis
In der Praxis war mit Spannung erwartet worden, wie sich die Erweiterung des Katalogs der Klauselverbote durch die neue Regelung des § 309 Nr. 14 BGB auswirken würde. § 309 Nr. 14 BGB erklärt Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam, die dem Vertragspartner des AGB-Verwenders einen temporären Klageverzicht auferlegen, solange er nicht einen Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung unternommen hat.
Bis zur Einführung des neuen § 309 Nr. 14 BGB sahen die meisten Versicherungsbedingungen entsprechend den AKB-Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) vor, dass bei Meinungsverschiedenheiten zur Schadenhöhe einschließlich des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten vor Klageerhebung ein Sachverständigenausschuss zu entscheiden habe. Entsprechend gab es in der Vergangenheit einige Urteile, die dieses Vorgehen als Versuch werteten, den Versicherungsnehmer von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten (vgl. LG Kempten, Urt. v. 25.03.2015 – 52 S 1550/14; AG Lindau, Urt. v. 01.07.2015 – 2 C 79/15). Aufgrund des neuen § 309 Nr. 14 BGB gingen die Versicherer davon aus, dass die Vorschaltung eines Sachverständigenverfahrens unzulässig sei. Entsprechend passten viele Versicherer ihre AKB entsprechend an die neue Gesetzlage an und weisen nun ihren Versicherungsnehmer meist auf die lediglich bestehende Möglichkeit hin, ein Sachverständigenverfahren zur Klärung des Sachverhalts heranzuziehen. So heißt es in den AKB-Musterbedingungen des GDV, dass auf Wunsch des Versicherungsnehmers vor Klageerhebung ein Sachverständigenausschuss entscheiden kann. Bei Verträgen, die bereits diese neue Bestimmung beinhalten, hat der Versicherungsnehmer somit die Möglichkeit, auch ohne vorheriges Sachverständigenverfahren die ordentlichen Gerichte anzurufen.
Hieran vermag auch das Urteil des LG Düsseldorf nicht zu ändern, da diesem noch ein Altvertrag mit der obligatorischen Einberufung eines Sachverständigenverfahrens zugrunde lag. Entgegen der Erwartungen der Versicherer kam das Landgericht nämlich zum Ergebnis, dass auch nach der Gesetzänderung ein in den AKB vorgesehenes Sachverständigenverfahren zulässig sei. § 309 Nr. 14 BGB beziehe sich auf Schlichtungs- und Mediationsverfahren und gerade nicht auf Sachverständigenverfahren. Nach Auffassung des LG Düsseldorf werde dies auch dadurch belegt, dass die Bestimmung in § 84 VVG bei der Einführung des § 309 Nr. 14 BGB nicht geändert worden sei.
Auf Versicherungsnehmerseite wird das Urteil des LG Düsseldorf sicherlich nicht mit allzu großer Freude aufgenommen werden, zumal die Nachteile eines Sachverständigenverfahrens darin bestehen, dass diese meist schwerfällig und teuer sind und von Rechtschutzversicherern oftmals keine Deckung erteilt wird. Gleichwohl mag die Argumentation des LG Düsseldorf grundsätzlich zu überzeugen. Sollten sich weitere Gerichte der Auffassung des LG Düsseldorf anschließen, bedeutet dies für die Praxis, dass Versicherer auch weiterhin auf die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens bestehen können. Nachdem die Versicherer ihre Versicherungsbedingungen aber bereits im vorauseilenden Gehorsam zu großen Teilen angepasst haben, ist die vorliegende Entscheidung überwiegend für Altverträge von Bedeutung.