Nachfolgend ein Beitrag vom 12.12.2018 von Krenberger, jurisPR-VerkR 25/2018 Anm. 4
Orientierungssatz
Nach der StVO vorgesehene Vorschriftszeichen, die von den hierzu befugten Behörden angebracht worden sind, müssen bis zu ihrer Beseitigung – ggf. aufgrund erfolgreicher Anfechtung – Beachtung finden und befolgt werden.
A. Problemstellung
Das OLG Hamm musste als Rechtsbeschwerdegericht prüfen, ob es an den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung zur angeblichen Nichtigkeit von Verkehrszeichen festhalten oder die Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung zulassen wollte.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das OLG Hamm hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen, da es nicht geboten war, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei hinreichend geklärt, dass nach der StVO vorgesehene Vorschriftszeichen, die von den hierzu befugten Behörden angebracht worden seien, bis zu ihrer Beseitigung – ggf. aufgrund erfolgreicher Anfechtung – Beachtung finden und befolgt werden müssten (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 41 StVO Rn. 247 m.w.N.). Ausnahmsweise nichtig und damit unbeachtlich für jedermann seien – abgesehen vom Fall der Anbringung durch Unbefugte – nach der StVO zugelassene Vorschriftszeichen nur bei offensichtlicher Willkür, Sinnwidrigkeit oder bei objektiver Unklarheit, die sich auch im Wege der Auslegung nicht beheben lässt (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 41 StVO Rn. 247 m.w.N.). Sogar eine etwaige spätere Aufhebung des Verwaltungsakts lasse die Ahndbarkeit bereits begangener Zuwiderhandlungen unberührt (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 41 StVO Rn. 247).
C. Kontext der Entscheidung
Die näheren Details der angefochtenen Entscheidung wurden weder mitgeteilt noch zusammengefasst. Einzig, dass es vorliegend um eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer BAB ging und dass das OLG Hamm bereits einmal über die Thematik entschieden hatte (OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2016 – 3 RBs 55/16). Ausgangspunkt ist die grundsätzliche Gültigkeit eines Verkehrszeichens. Nur bei gravierenden Mängeln kommt eine Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit in Frage. Der Mangel muss dann so schwerwiegend und bei verständiger Würdigung so offenkundig sein, dass sich die Fehlerhaftigkeit der Aufstellung des Zeichens ohne weiteres aufdrängt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.1998 – 5 Ss (OWi) 336/98 – (OWi) 133/98 I; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.11.2014 – IV-2 RBs 115/14; KG, Beschl. v. 21.04.2004 – 3 Ws (B) 158/04 – NZV 2005, 160). Wäre die Prüfung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Anordnung dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen, könnte dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen (OLG Koblenz, Beschl. v. 07.10.1994 – 1 Ss 302/94 – NZV 1995, 39). Zu beachten ist zudem, dass eine etwaige spätere Aufhebung des Verwaltungsakts „Verkehrszeichen“ durch die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht die Ahndbarkeit bereits begangener Zuwiderhandlungen unberührt lässt (KG, Beschl. v. 21.04.2004 – 3 Ws (B) 158/04 – NZV 2005, 160).
D. Auswirkungen für die Praxis
Auch im Zivilrecht stellt sich durchaus einmal die Problematik, ob einem Verkehrszeichen Beachtung zu schenken ist. Die Anordnung durch ein Verkehrszeichen 250 („Verbot für Fahrzeuge aller Art“) kann ausnahmsweise nichtig sein, wenn die Anordnung – für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbar – unsinnig ist (VG Bremen, Urt. v. 12.12.2013 – 5 K 181/11; OLG Hamm, Beschl. v. 27.05.2014 – 5 RBs 13/14). Die Beschilderung im Fall des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.2015 – 9 U 18/14 – NJW 2016, 1106) erlaubte die Einfahrt in eine Sackgasse, verbot aber die Ausfahrt aus der Sackgasse. Findet dann doch eine Ausfahrt mit Kollision statt, ist die Haftung natürlich auch unter dem Aspekt der Nichtigkeit des Verkehrszeichens zu prüfen: Kann ein solcher Verstoß in die Quotenbildung eingerechnet werden?
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