Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Halter und Führer eines Flugzeuges unter den erleichterten Voraussetzungen der §§ 44 ff. Luftverkehrsgesetz haftet, wenn ein Mitflieger, der die Flugeigenschaften des Luftfahrzeugs kennen lernen möchte, während eines sogenannten „Schnupperfluges“ zu Schaden kommt.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Ehemann bzw. Vater der Kläger die Gelegenheit wahrgenommen, anläßlich eines „Tages der offenen Tür“ des Drachensportclubs W. in einem Ultraleichtflugzeug kostenlos mitzufliegen, um die Flugeigenschaften des Luftfahrzeugs kennen zu lernen. Er war bereits aktiver Drachenflieger und hatte erwogen, eine Pilotenausbildung für den entsprechenden Flugzeugtyp zu beginnen. Das Ultraleichtflugzeug stürzte aus nicht aufgeklärten Gründen ab. Dabei kamen beide Insassen (Flugzeughalter und –führer und der Ehemann bzw. Vater der Kläger) ums Leben. Die Kläger verlangen von den unbekannten Erben des Flugzeughalters und -führers, vertreten durch den Beklagten als Nachlaßpfleger, Schadensersatz.
Die Vorinstanzen haben der Klage im wesentlichen stattgegeben, weil der Verstorbene auch dann, wenn er bei dem „Schnupperflug“ möglicherweise das Fliegen habe erlernen wollen und deshalb auf dem dem Piloten vorbehaltenen Vordersitz gesessen habe, nicht zum fliegenden Personal gehört habe, sondern „Fluggast“ im Sinn des § 44 Luftverkehrsgesetz gewesen sei.
Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Die Frage, ob der Verstorbene Fluggast im Sinne des Luftverkehrsgesetzes gewesen ist, konnte hierbei offen bleiben. Im Streitfall fehlt bereits die für die Haftung des Luftfrachtführers nach dem Luftverkehrsgesetz notwendige Voraussetzung, daß der Flug der Beförderung der Insassen dient. Denn Grund für das vermutete Verschulden des Luftfrachtführers im Falle eines Flugunfalls ist dessen Obhutsverhältnis zum Flugzeuginsassen, der sich ihm zum Zwecke der Beförderung anvertraut. Die Haftung nach dem Luftverkehrsgesetz greift deshalb nur in den Fällen ein, in denen dieses Interesse im Vordergrund steht und sich der Flugzeuginsasse nur deshalb hinsichtlich der technischen Bewältigung des Fluges dem Luftfrachtführer anvertraut. Steht hingegen die flugsportliche Betätigung im Vordergrund, während die Beförderung ein zwar notwendiger, aber unselbständiger Faktor für den Flug ist, entsprechen die diesen Flügen zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse regelmäßig nicht einem Beförderungsvertrag. Die Haftungserleichterungen nach dem Luftverkehrsgesetz kommen nicht demjenigen zugute, der die technische Seite des Fliegens und die Bewältigung der damit verbundenen Gefahren kennenlernen will und deshalb einen Flug unternimmt. Im Streitfall kommt aus diesem Grund nur eine Haftung nach den allgemeinen Vorschriften in Frage. Da es hierzu bislang an Feststellungen fehlt, ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Urteil vom 15. März 2005 – VI ZR 356/03
(LG Hildesheim – 4 O 371/02 ./. OLG Celle – 14 U 48/03)
Karlsruhe, den 15. März 2005
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