Nachfolgend ein Beitrag vom 14.9.2015 von Nöcker, jurisPR-SteuerR 37/2015 Anm. 3
Leitsätze
1. Die von einem Leasinggeber dem Leasingnehmer eingeräumte Möglichkeit, den Leasing-PKW bei Vertragsablauf zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Preis entweder selbst anzukaufen oder einen Dritten als Käufer zu benennen, stellt ein entnahmefähiges betriebliches Wirtschaftsgut dar, wenn die Leasingraten zuvor als Betriebsausgaben abgezogen worden sind.
2. Der Begriff des Wirtschaftsguts setzt nicht voraus, dass es dem Betrieb einen Nutzen für mehrere Jahre bringt (Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung).
A. Problemstellung
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Im Zusammenhang mit Leasingverträgen stellt sich die Frage, wann ein entnahmefähiges Wirtschaftsgut vorliegt. Im vorliegenden Fall musste der BFH entscheiden, ob eine dem Leasingnehmer eingeräumte Möglichkeit, den Leasing-Pkw bei Vertragsablauf zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Preis anzukaufen oder einen Dritten als Käufer zu benennen, ein solches Wirtschaftsgut ist.
- B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
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Im Rahmen eines Leasingvertrags über einen Pkw erhielt die Klägerin von der Leasinggesellschaft ein Andienungsrecht. Hiernach bot die Klägerin als Leasingnehmerin der Leasinggesellschaft verbindlich an, den Leasinggegenstand (Pkw) zu erwerben oder einen Dritten zu benennen. Der Kaufvertrag kam mit Zugang der entsprechenden Erklärung der Leasinggesellschaft zustande, die auch in der Rechnungserteilung liegen konnte. Der Kaufpreis bei Ausübung des Andienungsrechts war vertraglich festgelegt worden. Ein Recht, den Ankauf zu verlangen, hatte die Klägerin als Leasingnehmerin allerdings nach dem Vertragswortlaut nicht.Nach der Nutzung des Pkw zu privaten Zwecken, nach Klägerinnenvorbringen auch zu betrieblichen Zwecken – die Leasingraten behandelte sie als Betriebsausgaben und bewertete die Nutzungsentnahmen nach der 1%-Regelung –, bot die Leasinggesellschaft ihr zum Vertragsende den Pkw zum vereinbarten Preis an. Statt ihrer unterrichtete ihr Ehemann die Leasinggesellschaft, dass er den Pkw erwerben wolle. Nach dem Erwerb im Streitjahr 2001 und der privaten Nutzung für etwa ein Jahr veräußerte der Ehemann der Klägerin den Pkw im Folgejahr 2002 zu einen Preis, der um mehr als 10.000 Euro über dem von ihm gezahlten Kaufpreis lag.Die Klägerin selbst erwarb im Streitjahr 2002 einen weiteren Pkw der Oberklasse zu ähnlichen Konditionen von der Leasinggesellschaft. Das im Jahr 1999 vereinbarte Andienungsrecht entsprach der dargestellten Vereinbarung.Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die Klägerin habe die Vorteile aus den Ankaufsmöglichkeiten gewinnerhöhend entnommen. Er schätzte die Teilwerte beider Pkw und ermittelte daraus einen Entnahmegewinn für das Streitjahr 2001 in Höhe von 40.184,88 Euro und für das Streitjahr 2002 einen solchen von 12.888,32 Euro. Es ergingen entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide.Im Klageverfahren vernahm das Finanzgericht den Prokuristen der Leasinggesellschaft. Dieser wiederholte seine im Betriebsprüfungsverfahren gegebenen Auskünfte, wonach die Leasinggesellschaft ihre Tätigkeit nicht auf die spätere Vermarktung der gebrauchten Leasingfahrzeuge ausgerichtet habe. Deshalb würden den Leasingkunden die Fahrzeuge zum vertraglich vereinbarten Preis selbst dann angeboten, wenn diese darauf nach dem Vertrag keinen Anspruch hätten. In seiner Berufstätigkeit habe er es noch nicht erlebt, dass ein Kunde von dem Andienungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen (FG Münster, Urt. v. 15.06.2011 – 6 K 5167/06 E,G – EFG 2012, 331). Die Leasinggesellschaft habe eine auf dem Leasingvertrag beruhende Rechtsposition aufgegeben und die Entscheidung über den Ankauf in die Hände der Klägerin gelegt. Es sei eine konkrete Kaufoption zu sehr günstigen Preisen eingeräumt worden. Diese sei mit betrieblichen Mitteln erworben worden, als Wirtschaftsgut anzusehen und daher entnahmefähig.Der BFH folgte dieser Ansicht des Finanzgerichts und wies die Revision als unbegründet ab. Wirtschaftsgüter seien nach dem weit zu fassenden steuerrechtlichen Begriff auch sonstige Vorteile, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich seien. Die selbstständige Bewertbarkeit liege hier vor. Bei beiden Verkaufsoptionen handele es sich um konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb. Nach der Einräumung der Optionen seien diese nur noch vom Verhalten der Klägerin abhängig gewesen. Diese habe sich die Option etwas kosten lassen, indem sie in der begründeten Erwartung des Andienungsrechts (zu) hohe Leasingraten gezahlt habe. Unerheblich sei die Restdauer von jeweils etwa einem Monat. Mehrjährigkeit des Optionsrechts sei nicht nötig, da dies lediglich für die Frage der Sofortabziehbarkeit der Herstellungs- und Anschaffungskosten als Betriebsausgaben relevant sei. Unerheblich sei, dass die vorliegenden Kaufoptionen durch einseitige Erklärung des Leasinggebers eingeräumt worden seien – schließlich stelle auch eine solche Kaufoption einen wirtschaftlichen Wert dar. Die damit zusammenhängende vermögenswerte Rechtsposition habe die Klägerin schon mit Einräumung des Optionsrechts innegehabt.
- C. Kontext der Entscheidung
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I. Der BFH hatte über ein Steuersparmodell zu entscheiden. Beachtet man nämlich die Leasingerlasse des BMF vom 19.04.1971 (IV B/2-S 2170-31/71 – BStBl I 1971, 264) und vom 22.12.1975 (IV B 2-S 2170-161/75), so war ein wirtschaftliches Eigentum der Klägerin nicht anzunehmen. Der Leasingnehmer ist u.a. dann beim Finanzierungsleasing wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes, wenn eine Kaufoption vereinbart worden ist und der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Kaufpreis niedriger ist als der unter Anwendung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung (BMF v. 19.04.1971 – IV B/2-S 2170-31/71 – BStBl I 1971, 264, unter III.2.b.bb). Vorliegend fehlt es an der ausdrücklichen Vereinbarung einer Kaufoption. Somit ist es unerheblich, dass der Kaufpreis aufgrund der (überhöhten) Leasingraten unter dem Buchwert liegen wird. Denn bewusst haben die Vertragsparteien ein dem Leasinggeber zustehendes Andienungsrecht und nicht dem Leasingnehmer ein Optionsrecht zugebilligt. Entscheidend ist dabei der bereits bei Vertragsabschluss fest vereinbarte Preis. In diesem Fall, so das BMF, trägt der Leasingnehmer das Risiko der Wertminderung, weil er bei Verlangen des Leasinggebers den Leasinggegenstand auch dann zum vereinbarten Preis kaufen muss, wenn der Wiederbeschaffungswert für ein gleichwertiges Wirtschaftsgut geringer als der vereinbarte Preis ist. Folglich kann er nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes angesehen werden (BMF v. 22.12.1975 – IV B 2-S 2170-161/75, unter 2.a).II. Dennoch erhielt die Klägerin eine Rechtsposition. Es bestand die begründete Erwartung, dass der Leasinggeber den Wagen „unter Wert“ an sie oder eine nahestehende Person verkaufen werde (ebenso Kleinmanns, BB 2015, 625). In Auslegung der Verträge hatte deshalb das Finanzgericht das Andienungsrecht als Kaufoption beurteilt, welches als Wirtschaftsgut anzusehen und daher auch entnahmefähig sei. Dabei hat es von einer buchstabengetreuen Auslegung Abstand genommen und die Schreiben des Leasinggebers, den wirtschaftlichen Gesamtgehalt der Vereinbarungen angesichts der ungewöhnlichen Höhe der vorangegangenen gezahlten Leasingraten sowie die Aussagen des Zeugen zur Geschäftspolitik herangezogen. Diese Auslegung, die nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH bereits dann binden würde, wenn sie lediglich als möglich anzusehen ist (BFH, Urt. v. 23.01.2003 – IV R 75/00 – BStBl II 2003, 467), ist aus Sicht des BFH sogar „ausgesprochen naheliegend“.III. Diese Art der Kaufoption ist aus Sicht des BFH ein Wirtschaftsgut. Es führt nicht (auch nicht nachträglich) zur wirtschaftlichen Zurechnung des Pkw beim Leasingnehmer. Vielmehr stellt es einen sonstigen Vorteil dar. Hierunter versteht die Rechtsprechung tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangen der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind (BFH, Urt. v. 05.06.2008 – IV R 67/05 – BStBl II 2008, 960, unter II.1.c, m.w.N.). Dass ein solches Optionsrecht, welches hier etwa einen Monat bestand, kurzfristig bestand, ist unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung zu Optionsrechten bei der Erzielung von Einkünften nach § 23 EStG (BFH, Urt. v. 24.07.1996 – X R 139/93 – BFH/NV 1997, 105) für die Qualifikation als Wirtschaftsgut ohne Bedeutung.IV. Dieses Optionsrecht ist sowohl im Zeitpunkt der Entstehung wie auch seiner Entnahme bewertbar. Zu Recht hat das Finanzgericht die Kaufoptionen dem Betriebsvermögen der Klägerin zugerechnet und die Entnahme mit dem Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG bewertet.
- D. Auswirkungen für die Praxis
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Ein Steuersparmodell weniger – und eine Variante bei der Beurteilung von Leasingverträgen mehr, das ist die Folge der Entscheidung für die Praxis.