Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses

AG Essen, Urteil vom 13. Januar 2016 – 20 C 254/15 –, Rn. 20, juris

Aus den Gründen

Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG meint nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. BGH, Urteil v. 17.03.1992, Az. VI ZR 62/91). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben (vgl. BGH, Urteil v. 28.05.1985, Az. VI ZR 258/83; BGH, Urteil v. 17.02.1987, Az. VI ZR 75/86; BGH, Urteil v. 21.02.1985, Az. III ZR 205/83 m.w.N.). Denn die Haftung aus § 7 StVG ist nicht wie die Haftung aus § 823 BGB eine Haftung aus Verhaltensunrecht, sondern sie bezweckt den Ausgleich von Schäden aus den Gefahren eines auch zulässigen Kraftfahrzeugbetriebs. § 17 Abs. 3 StVG stellt deshalb nicht einem verkehrswidrigen Verhalten das im Straßenverkehr vom Kraftfahrer zu verlangende gegenüber, sondern sein Maßstab hat die Gefahren aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, für die die Gefährdungshaftung eintreten soll, abzugrenzen gegenüber denjenigen Gefahren, für die – wenn sie sich im Schadensereignis realisieren – die Gefährdungshaftung ihrem Sinn und Zweck nach nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Die dazu von der Rechtsprechung benutzte Ausrichtung an dem Verhalten eines „Idealfahrers“ umschreibt personifizierend dieses Abgrenzungsmerkmal.

Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG verlangt damit eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung (vgl. BGH, Urteil v. 05.07.1988, Az VI ZR 346/87). Diese Wertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil v. 24.03.1964, Az. VI ZR 12/63). Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) wie ein „Idealfahrer“ verhält (vgl. BGH, Urteil v. 17.03.1992, Az. VI ZR 62/91). Damit verlangt § 17 Abs. 3 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.