Akteneinsicht: Die Uneinigkeit wird fortgesetzt

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Nachfolgend ein Beitrag vom 4.10.2018 von Krenberger, jurisPR-VerkR 20/2018 Anm. 5

Leitsatz

Keine Verletzung der Rechte des Betroffenen bei in der Hauptverhandlung abgelehntem Antrag auf Herausgabe der sich nicht bei der Akte befindlichen Messdatei (Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 13.06.2018 – 3 Ss OWi 626/18; entgegen VerfGH Saarbrücken, Beschl. v. 27.04.2018 – Lv 1/18).

A. Problemstellung

Das OLG Oldenburg musste als Rechtsbeschwerdegericht darüber entscheiden, ob die Nichtgewährung der begehrten Akteneinsicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen konnte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Mit dem angefochtenen Urteil hatte das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h zu einer Geldbuße von 70 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil wandte sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügte zum einen die Verletzung rechtlichen Gehörs und war ferner der Ansicht, die Rechtsbeschwerde sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs stützte er in erster Linie darauf, dass ihm die Rohmessdaten der Messung nicht zugänglich gemacht worden seien. Weitere Beweisanträge wurden in der Hauptverhandlung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückgewiesen.
Das OLG Oldenburg hat den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, verworfen.
Das rechtliche Gehör des Betroffenen sei durch die Nichtbeiziehung der nicht bei der Akte befindlichen Rohmessdaten nicht verletzt worden.
Wie das OLG Oldenburg bereits in seinem Beschluss vom 13.03.2017 (2 Ss (OWi) 40/17, 2 Ss OWi 40/17 – ZfSch 2017, 469) ausgeführt hat, verletzt ein in der Hauptverhandlung durch Beschluss abschlägig beschiedener Antrag auf Herausgabe einer Kopie der Messdatei einschließlich etwaiger sog. Rohmessdaten, weder den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör noch die Grundsätze des fairen Verfahrens. Hierauf werde zunächst verwiesen. Der Beschluss des VerfGH Saarbrücken vom 27.04.2018 (Lv 1/18) gebe dem Gericht keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Das Oberlandesgericht folge vielmehr dem OLG Bamberg, das sich ausführlich mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auseinandergesetzt hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 13.06.2018 – 3 Ss OWi 626/18). Soweit das OLG Bamberg darauf hingewiesen habe, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von vornherein ausscheide, sei dem nichts hinzuzufügen.
Obwohl das OLG Oldenburg mit dieser Rechtsauffassung von einem Beschluss des OLG Celle vom 16.06.2016 (1 Ss (OWi) 96/16) abweiche, komme – da im Zulassungsverfahren der Einzelrichter abschließend über die Frage der Gehörsverletzung entscheidet (BGH, Beschl. v. 14.09.2004 – 4 StR 62/04) – eine Übertragung auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern nicht in Betracht und schon deshalb auch keine Vorlage zum BGH (vgl. BGH, Beschl. v. 28.07.1998 – 4 StR 166/98).
Es könne darüber hinaus dahinstehen, ob die Zulassung der Rechtsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG auch bei einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zuzulassen wäre. Die Grundsätze des fairen Verfahrens werden durch die in der Hauptverhandlung erfolgte Ablehnung eines Antrages auf Herausgabe der Rohmessdaten nämlich nicht verletzt. Wenn der Verfassungsgerichtshof von einer Beibringungs- bzw. Darlegungslast spreche, dürfte damit gemeint gewesen sein, dass es aus Sicht eines Betroffenen für seine Verteidigung hilfreich sein könne, wenn er – unabhängig von der Aufklärungspflicht des Gerichtes – Anhaltspunkte für mögliche Messfehler darlegen könne. Wenn der Verfassungsgerichtshof hieraus schlussfolgernd einen Anspruch auf Herausgabe der Rohmessdaten unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens für gegeben hält, bedeute das im Ergebnis letztlich nichts anderes, als dass er das standardisierte Verfahren als unfair ansehe: Das OLG Bamberg habe bereits in seinem Beschluss vom 04.04.2016 (3 Ss OWi 1444/15 – DAR 2016, 337), der dem Oberlandesgericht Anlass gegeben hatte, seine Rechtsprechung zu überprüfen, auf die Konsequenzen aus der Rechtsprechung des BGH zum standardisierten Messverfahren hingewiesen. Es komme nach einer durchgeführten Beweisaufnahme, in der sich der Tatrichter zweifelsfrei von der Einhaltung der Prämissen für ein standardisiertes Messverfahren überzeugt habe, im Ergebnis zum Gleichlauf von Aufklärungspflicht und Fair-Trial-Grundsatz. Denn es würde einen nicht auflösbaren Wertungswiderspruch darstellen, wenn einerseits der durch ein standardisiertes Messverfahren ermittelte Geschwindigkeitswert ausreichende Grundlage für eine Verurteilung des Betroffenen sein solle, andererseits aber gleichwohl einem Antrag auf Überlassung der Messdatei, der allein das Ziel habe, die Richtigkeit des so ermittelten Messwertes zu erschüttern, unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens stattgegeben werden müsste.
Mit seiner Entscheidung entzieht der VerfGH Saarbrücken der vom BGH festgestellten Folge aus der amtlichen Zulassung von Geräten und Methoden demgegenüber die Grundlage. Wäre nämlich davon auszugehen, dass sich aus den Rohmessdaten Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Messergebnis ergeben können, wäre letztlich auch das Amtsgericht von Amts wegen verpflichtet, die entsprechenden Daten beizuziehen und sachverständig auswerten zu lassen. Das soll jedoch nach der Rechtsprechung des BGH ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte aber gerade nicht erforderlich sein.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Oldenburg positioniert sich zunächst eindeutig hinsichtlich der Frage der (erweiterten) Akteneinsicht, indem es der Rechtsansicht des OLG Bamberg folgt. Die Argumente sind altbekannt, die Fundstellen ebenso. Leider erfolgt (auch hier) keine Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Antrags. Unstreitig sind die Rechtspositionen des OLG Bamberg nämlich allenfalls für den Antrag, der (erstmals) in der Hauptverhandlung gestellt wird (vgl. Krenberger, NZV 2018, 84; vgl. auch KG, Beschl. v. 27.04.2018 – 3 Ws (B) 133/18, 3 Ws (B) 133/18 – 162 Ss 64/18 – ZfSch 2018, 472; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.01.2018 – 2 Rb 8 Ss 839/17 – ZfSch 2018, 471).
Wenn dann seitens des OLG Oldenburg noch versucht wird, die Entscheidung des VerfGH Saarbrücken zu widerlegen, verfängt dies nicht, sondern scheitert zur Gänze. Immerhin wird der dort verwendete Begriff der „Darlegungs- und Beweislast“ anders als durch das OLG Bamberg interpretiert. Aber das ist dann auch schon alles, dem man zustimmen kann. Denn die dann folgenden Auslegungen, also dass der Verfassungsgerichtshof „das standardisierte Verfahren als unfair ansieht“ und dass er der vom BGH etablierten Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens die Grundlage entziehe, gehen einfach nur an der Sache vorbei, ja sie sind sogar falsch.
Denn zum ersten differenziert der VerfGH Saarbrücken sehr genau zwischen den verschiedenen Verfahrensstadien und der daraus folgenden Auswirkung der versagten erweiterten Akteneinsicht für den Betroffenen. Und wenn man sich einmal die Entscheidung aus dem Saarland genau durchsehen würde, anstelle dem OLG Bamberg zu huldigen (eine Fundstelle ersetzt ja bekanntlich keine Argumentation), dann würde man diese Differenzierung nach Zeitabschnitten, die auch zahlreiche Amtsgerichte zutreffend vornehmen, als dogmatisch richtig erkennen und benennen.
Zum zweiten wird anschließend vom OLG Oldenburg die Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens auf den eigenen Bedarf zurechtgestutzt, indem der seitens des BGH selbst gesetzte Hinweis auf die BGH-eigene Rechtsprechung zur möglichen Widerlegung der Standardisierung nicht benannt wird (so wie das OLG Bamberg dies auch gerne unerwähnt lässt). Der verringerte Umfang der Beweisaufnahme des Tatrichters bei Annahme eines standardisierten Messverfahrens hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob dem Betroffenen die auch durch den BGH zugestandene Möglichkeit (überhaupt) gegeben wird, das Messergebnis (vorab!) zu überprüfen. Diese Möglichkeit bedeutet für den Tatrichter und dessen Aufklärungspflicht so lange überhaupt nichts, wie der Angeklagte nicht konkrete Einwände erhebt. Die bloße Möglichkeit, dass er konkrete Einwände aus den Rohmessdaten und sonstigem finden könnte, ist dementsprechend irrelevant für den Tatrichter und insoweit fällt der Widerlegungsversuch des OLG Oldenburg gegen das VerfGH Saarbrücken einfach in sich zusammen. Ein „Wertungswiderspruch“ existiert insoweit nämlich überhaupt nicht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Man darf gespannt sein, wie diese Kontroverse fortgeführt wird und ob endlich einmal ein Obergericht die Chuzpe hat, die Problematik zum BGH zu bringen. Wenn man sich natürlich immer schön auf der Ebene des Einzelrichters bewegt, spart man sich schon formal die Problematik der Divergenzvorlage. Die Entscheidungen des KG und des OLG Karlsruhe zeigen aber sehr schön auf, wohin die Reise für den Verteidiger gehen muss.

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